Von Scheuermitteln und Sandkörnern

Annegret Helds "Zimmermädchen" verbringt einen Sommer auf Langeoog

Von Frauke HecklerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Frauke Heckler

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Ein endlos langer, weißer Sandstrand erstreckt sich bis zum Horizont. Die kleinen Strandkörbe, hier und da verstreut, werfen mit ihren lustig gestreiften Kabinen und einer großen schwarzen Nummer auf der Rückseite lange Schatten auf den Sand.

Das Meeresrauschen erklingt in den Ohren, Wellen schlagen ans Ufer, eine kühle, salzige Brise weht durchs Haar. Sommer - Ferien - Urlaub!

Solche Assoziationen kommen schnell bei Annegret Helds neuer Novelle "Das Zimmermädchen". Eine sehr stimmungsvolle Strandaufnahme ziert das Buchcover, und hiermit erreicht der marebuch-Verlag sicher nicht nur die Herzen von Nordseefans.

"So, dann konnte ich ja jetzt endlich in die Neunzehn. Ich nahm mir Eimerchen und rosa Gummihandschuhe und frische Handtücher und holte meinen allgewaltigen Schlüsselbund hervor. Dieses Geräusch liebte ich am meisten, das Geräusch des drehenden Schlüssels im friesischen Schloss, wumms, das Klacken, die Tür öffnete sich. Sesam, Sesam. Ich sah erstmal nicht viel. Alles war dunkel, und eine eigenartige Schwüle erfüllte das Zimmer. Es roch nach schwerem Parfüm und Räucherwerk und Körperausdünstungen und heftigsten menschlichen Gefechten." Die 19-jährige Titelfigur Carla verbringt ihren ersten Sommer auf der Nordseeinsel Langeoog. Meer und Strandleben kann sie jedoch nur in ihren Pausen genießen, da sie in erster Linie "wie um ihr Leben schrubbt", denn nur so kann sie sich ihre "Eintrittskarte fürs Leben" erarbeiten. Das besagt zumindest die eigene Philosophie der Schulabgängerin. In der kleinen friesischen Pension "Der Deichgraf", unter den wachsam-strengen Augen von Wirtin Sörensen, wird jeder Winkel gewienert - bis die Protagonistin abends vollkommen erschöpft in ihrem schilfgrünen Meereszimmer vor den jaulenden Waschmaschinen in einen tiefen Schlaf fallen darf. Doch wer ins wirkliche Leben eintreten möchte, darf sich auch nicht vor verdreckten Kloschüsseln ekeln! Ein hartes Credo.

Sicher, eine vor gewaltiger Fröhlichkeit laut johlende Putzkraft, freudig den Eimer schwenkend, um auch das höchste Giebelfenster vom Dünensand zu befreien, wirkt auf den Leser zunächst etwas befremdlich. Aber wenn es der Selbstfindung dient, warum nicht?

Von einem Klischeeroman mit sozialem Aufstieg frei nach "Vom Tellerwäscher zum Filmstar" kann in dieser Novelle keine Rede sein. Die Autorin Annegret Held beschreibt witzig-rührend und vor allem kurzweilig die Geschichte eines Sommers, der nicht außergewöhnlich spektakulär, aber eben dadurch so lebens- und lesernah verläuft. Das Triviale kann mitunter auch beglücken! Bei Annegret Held tut es das. Vor Augen führt sie uns immer wieder des Menschen Neugier und Entdeckerlust, welche die Protagonistin Carla mehr als einmal in reichlich prekäre Situationen führen.

Besonders die Wortwahl der Autorin bereitet Vergnügen: knappe, klare Sätze bringen - durchaus mit einer kräftigen Prise Spott gewürzt - die kleinen Grausamkeiten des Lebens auf einen präzisen, oft schonungslosen Punkt. Auch an gemeinen, manchmal bitterbösen, aber gerade dadurch so menschlichen Gedanken, die Carla während ihres Ferienjobs durch den Kopf schwirren, lässt sie uns teilhaben. Da sind als Gäste die ältlichen Fräuleinwunder, die keinen Nachmittagstee auslassen, ebenso wie die attraktiven Ärzte, die anlässlich eines Gynäkologenkongress die Friesenpension auf den Kopf stellen.

Titelbild

Annegret Held: Das Zimmermädchen. Novelle.
Mare Verlag, Hamburg 2003.
250 Seiten, 18,00 EUR.
ISBN-10: 3936384061

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