Nicht zum Einschlafen gedacht

Friedrich Achleitner legt nach Jahren wieder Prosaarbeiten vor

Von Christoph Schmitt-MaaßRSS-Newsfeed neuer Artikel von Christoph Schmitt-Maaß

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Um die Mitglieder der Wiener Gruppe ist es still geworden: sorgten in den 50er und 60er Jahren ihre Happenings für Furore, so ist spätestens seit dem Tod von Konrad Bayer ein gewisser Mangel an öffentlicher Präsenz zu verzeichnen - die Mitglieder der Gruppe haben sich auseinandergelebt und sind so bürgerlich geworden wie jenes Publikum, gegen das sie einst zu Felde zogen. Friederich Achleitner beispielsweise hatte 20 Jahre einen Lehrstuhl für Architekturgeschichte in Wien inne und setzte sich für die Erhaltung der historischen Wiener Bausubstanz ein, förderte aber auch James Stirlings' Entwurf für die Erweiterung der Stuttgarter Staatsgalerie.

Dabei versteht sich Achleitner als Handwerker, betont die Materialität der Sprache; sie ist für ihn ein Konstruktionsmittel. Es habe zeitlich bedingt verschiedene Formen der Auseinandersetzung mit Sprache gegeben, die immer auch in ihrer formalen Bestimmung Ausdruck fanden. In den "einschlafgeschichten" (2003) benennt der Autor im Motto sein Schreibmotiv: "ich schau so gern beim machen von geschichten zu". So wenig "machen" und "geschichte" bei Achleitner kategoriale Setzungen sind, so sehr unterläuft er die Erwartungshaltung des Lesers. Indem das Autor-Ich sprichwörtliche Redensarten, Namen und Benennungen ironisch hinterfragt, kann es die Rolle eines Kindes einnehmen, dem freilich nichts fremd oder verborgen bleibt. Eine Geschichte ist nach der Erzählung eines "geistig behinderten" verfertigt - Garant für die den Geschichten immanente "Wahrhaftigkeit", deren Sprache hintergehbares Objekt der Betrachtung ist.

Bei aller Originalität bleibt ein flaues Gefühl zurück: das alles hat man so oder ähnlich schon anderswo gelesen. Von den "Konstruktionsbedingungen" her hat Achleitner wenig Neues zu bieten. Das ist vielleicht aber auch gar nicht sein Anspruch. Vielmehr stellt sich ein Gefühl von Gelassenheit ein, die die absurde Komik des Alltags sprachlich adäquat zu fassen sucht. Insofern müssen sich Achleitners "einschlafgeschichten" als durchaus aufgeweckt bezeichnen lassen.

Titelbild

Friedrich Achleitner: Einschlafgeschichten.
Paul Zsolnay Verlag, Wien 2003.
104 Seiten, 12,90 EUR.
ISBN-10: 3552052259

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