Pinkeln Sie sich nicht auf die Hand!

Gwen Macsai und die Geheimnisse der holden Weiblichkeit

Von Thorsten SchulteRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thorsten Schulte

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Vielleicht lernen Sie etwas, vielleicht müssen Sie aber auch nur kotzen." So begrüßt die Amerikanerin Gwen Macsai ihre Leserinnen im Vorwort ihres aktuellen Romans "Besser als Schokolade". Leserinnen, denn die Popautorin begrenzt ihr potentielles Publikum gleich auf Frauen ("Ich weiß, dass Sie so eine sind"). Interessant, aber der Rezensent ist der Meinung, nie eine Frau kennengelernt zu haben, die der im Buch vorgenommenen Charakterisierung des weiblichen Geschlechts als nur konsumorientierte, gemeinsam pinkelnde und sexsüchtige Masse entspräche. Sind Frauen denn tatsächlich nur von animalischen Trieben gesteuerte Mädchen mit krankhafter Shopping-Obsession?

Hier werden alle männlichen Klischees vom Stammtisch um die Ecke bedient: Shopping sei der weibliche Ausdauersport. Es würde Frauen verbinden, seit die erste Höhlenfrau beschlossen habe, sich neben dem Leopardenfell ein Zebrafell zuzulegen, "da ihr mal nach Punkten und dann wieder nach Streifen zumute war." Gwen Macsai scherzt keineswegs: Die Autorin hat den Anspruch, in ihrem Buch wie in einem Beichtstuhl zu gestehen, was es heißt eine Frau zu sein. Wie die beste Freundin will sie Tipps für jede Krisensituation geben. Dabei entstehen dann so unglaublich hilfreiche Lebenstipps wie: Frau sollte erst essen, dann einkaufen. "So geht man einkaufen, wenn man am dicksten ist. Wenn die Hose ein paar Stunden später schon lockerer sitzt, ist das ein echtes Erfolgserlebnis." Unter welch schwerwiegenden Entscheidungen und tiefen Lebenskrisen leiden die Frauen des 21. Jahrhunderts noch? Gwen Macsai flüstert es aus ihrem Beichtstuhl: Die "smartierunden" Brüste in der Pubertät seien eine Qual, jedes Mädchen sehne sich nach großen Brüsten. Trotzdem sei die Aufmerksamkeit der "pickelgesichtigen Idioten" auf dem Schulhof unerwünscht. Aha.

Ein Narr, wer glaubt, die Spannung könne sich nun nicht mehr steigern - vielleicht trifft diese Vermutung für Frauen zu. An dieser Stelle sei erwähnt, dass die durch die Autorin zu Beginn vorgenommene Beschränkung des Leserkreises auf weibliche Shopping-Freaks nicht gerade clever ist: Das Buch erreicht fast in der Mitte für jeden männlichen (!) Leser seinen Höhepunkt, wenn das mysteriöse Geheimnis der gemeinsam pinkelnden Freundinnen gelüftet wird. Worüber sind in der Männerwelt wohl schon mehr abenteuerliche Theorien aufgestellt worden, als über die verborgenen Geschehnisse in der Damentoilette - ganz umsonst, denn Gwen Macsai verrät, dass auch dort Frauen einfach nur gerne reden. Private Örtchen seien ideal, um jede beliebige Situation des Abends kritisch zu beäugen. Der damit verbundene, unappetitliche Lebenstipp sei jetzt einmal vergessen ("Immer pinkeln, bevor du den Tampon wechselst, sonst pinkelst du dir noch auf die Hand"). Und so geht es immer weiter. Von der Pubertät bis über die Wechseljahre hinaus, von den Smartie-Brüsten der Jugend bis zu den "Tittentüten" des Alters lässt sie nichts aus, was das weibliche Leben angeblich zu einem ständigen Kampf macht.

Das Erscheinungsdatum des Buches wurde perfekt gewählt: Kurz nachdem 2001 in den deutschen Kinos "Schokolade zum Frühstück" anlief, kam "Besser als Schokolade" von Gwen Macsai in die Buchhandlungen - Ähnlichkeiten von Titel und Inhalt sind natürlich rein zufällig. Die Unterschiede: Der Film "Schokolade zum Frühstück" nach dem Roman von Helen Fielding ist die Geschichte von Bridget Jones, einer selbstbewussten, jungen Lektorin, die ein Manko hat: Sie ist Single. Es entwickelt sich eine mitreißende, romantische Liebesgeschichte, in der Bridget Jones mit ihrem Chef anbandelt. Verpackt in dieser Geschichte finden sich witzige Einblicke in die weibliche Psyche und die Probleme rund um Diäten, Männer und den Beruf. "Besser als Schokolade" fehlt jeglicher Witz, jegliche Spannung und auch jeglicher Zusammenhang zwischen den einzelnen Kapiteln: Der Leser wird vom Muff eines ach so geheimnisvollen Ratgebers mit wortgewandten, aber überflüssigen Tipps niedergeschlagen, welche die Erotik eines Schimmelkäses ausstrahlen.

Alles scheint so einfach zu sein. Jedes Frauenproblem hat eine eindeutige Lösung. Aber wenn Frauen oder die "pubertierenden Mädchen mit smartierunden Brüsten" wirklich ernsthaft etwas über das Leben lernen wollen, müssen sie die Finger von diesem Ladenhüter lassen. Ist Aufklärung gesucht, dann ist jede Seite des Dr. Sommer-Teams in der Bravo informativer als dieses Buch.

Titelbild

Gwen Macsai: Besser als Schokolade. Das Freundinnen-Buch.
Übersetzt aus dem Englischen von Miriam Mandelkow.
Wunderlich Verlag, Reinbek bei Hamburg 2001.
224 Seiten, 17,90 EUR.
ISBN-10: 3805206992

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