Von einer Frau - über Frauen - nur für Frauen?

Irene Prugger über die Komik und Tragik ihrer "Nackten Helden"

Von Adelheid SeimRSS-Newsfeed neuer Artikel von Adelheid Seim

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die erste der fünfzehn Erzählungen, die sich hinter dem Titel "Nackte Helden und andere Geschichten von Frauen" von Irene Prugger verbergen, katapultiert den Leser mitten in einen Banküberfall. Ehe man Zeit findet, sich der Situation zu stellen, befindet man sich in der Gedankenwelt Cornelias, einer Frau Mitte dreißig, die, das Gesicht zu Boden gedrückt, auf dem Bauch liegt und die Hände schützend über dem Kopf faltet. In dieser prekären Lage bekommt es Cornelia nicht etwa mit der Angst zu tun, sondern ihr fällt ein, dass eine Frau ihres Alters mit einer höheren Wahrscheinlichkeit Opfer eines Raubes wird als einen Lebenspartner zu finden.

Irene Prugger, Verfasserin dieser "gelungenen Mischung aus Kritik am ganz normalen Wahnsinn des Alltags und der komischen Entlarvung menschlicher Bosheit" (ORF), wurde 1959 in Hall im Tirol geboren und lebt als Autorin und freie Journalistin in Mils. Sie ist verheiratet, hat zwei Kinder und veröffentlichte bisher zahlreiche Erzählungen und Hörspiele sowie den Roman "Mitten im Weg". 2002 erhielt sie den Kulturpreis der Stadt Innsbruck für ihr literarisches Schaffen.

So schlagartig wie der Leser auf Cornelias Leben losgelassen wird, so wird er auch mit anderen kurzen Ausschnitten aus dem Alltagleben mehr oder weniger gewöhnlicher Frauen konfrontiert, in deren Leben sich dann doch recht ungewöhnliche Dinge zutragen.

So lernt die man die Gedankenwelt Helgas kennen. Seit über zehn Jahren macht sie mit ihrem Mann Karl immer am selben Strand der Adria Urlaub in Jesolo. Ihren Hunger nach Liebe und Zuneigung sucht sie seit ihrer Kindheit in der Speisekammer zu stillen, doch Helgas Gedanken kreisen vor allem um ihren Mann, der wohl die "apfelgroßen, straffen Brüste" am attraktivsten findet, die sie übrigens nie gehabt hat.

Oder Bea: Sie arbeitet in der Verpackungsabteilung einer Firma und schläft dienstags und freitags mit dem Junior-Chef Hans Hammer - von ihr und vielen anderen Gérard genannt, aufgrund der Ähnlichkeit mit Depardieu. Sie glaubt sich in einer bevorzugten Stellung, die Phantasien des stolzen Familienvaters befriedigen zu müssen. Ihren "heimlichen Schwarm" Jim schickt Bea weg, wohl aus Angst, ehrliche Gefühle zu entwickeln. "Liebe, heißt Zuhausesein.", sagt Jim; die fesselnde Erzählung heißt "Kein Weg nach Hause"...

Die Erzählung "Nackte Helden", die dem Werk Irene Pruggers ihren Namen leiht, erinnert an einen Tagebucheintrag eines Teenagers. Die Ich-Erzählerin - sie schreibt in der "Wir-Form" und redet den Leser mit "Mädels" an - berichtet von ihrer Begegnung mit dem Kino-Helden Bad Boy. Trotz der bewusst überzogenen Teenager-Sprache und diverser, auf das Verhältnis der Geschlechter bezogenen Andeutungen wird die Aussage der Erzählung nicht wirklich deutlich.

Eine weitere Erzählung beschäftigt sich mit dem Thema Sucht. Man fühlt mit Rosa, die von ihrem sogenannten besseren Ich regiert wird. Trotz vorheriger sportlicher Betätigung und "knackigen Karöttchen" statt eines Brotes mit Wurst und Käse gewehrt ihr besseres Ich Rosa nicht, die "Herz-Schmerz-Serie auf Kanal 1" anzuschauen. Man gelangt von dem dringenden Bedürfnis, ihr eigenes besseres Ich vor die Türe zu setzen, zu der Einsicht, dass jenes doch auch seine guten Seiten hat.

Auch von älteren Frauen weiß die Autorin zu erzählen. So zum Beispiel von Luise, die sich fast unabsichtlich in einem Faschingsumzug wiederfindet und trotz heftigster äußerer Widerstände einer "Metamorphose" unterzieht. So viel geht ihr durch den Kopf, über "all die Versäumnisse, Fehler und glücklosen Zufälle und der ziemlich bescheidenen kleinen Glücksmomente, die sie demgegenüber in die Waagschale zu werfen hat[te]", dass sie es gar nicht alles hätte aufschreiben können.

Lediglich eine der Geschichten wird aus der Sicht eines Mannes berichtet. Er spricht in Gedanken mit der "lieben gnädigen Frau", die neben ihm auf der Bank sitzt und von der er lediglich durch einen Schirm getrennt ist. Das wirkliche Gespräch zwischen den beiden alten Menschen beginnt, als die Erzählung endet, mit einer Frage, die die Trennlinie zwischen beiden verwischen kann.

Wie so oft wird der Leser auch hier mit dem Ende überrascht, das zum Weiterdenken anregt. Fast ausnahmslos unterhält die Autorin ihre Leserschaft mit Ironie und Gefühl. Den Gedankengängen ihrer Protagonistinnen ist leicht zu folgen, nicht zuletzt wegen der recht einfach gehaltenen Sprache, die das Seelenleben ihrer Heldinnen sehr genau zeichnet, wobei leicht die Frage aufkommt, ob denn nicht die Mehrheit aller Frauen doch etwas zufriedener mit ihrem Leben ist als Pruggers Heldinnen. Das Motiv der durch Wasser fahrenden Hände auf dem Einband des Buches wirkt zu erfrischend angesichts der Untiefen, die sich vor uns auftun.

Titelbild

Irene Prugger: Nackte Helden und andere Geschichten von Frauen. Erzählungen.
Skarabaeus Verlag, Innsbruck 2003.
166 Seiten, 19,00 EUR.
ISBN-10: 3708231228

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