Literatur hat ein Gesicht
Frank Möbus und Friederike Schmid-Möbus präsentieren "Dichterbilder" von Walther von der Vogelweide bis Elfriede Jelinek
Von Manu Slutzky
Nie und nimmer hätte ich Heiner Müller erkannt, Ernst Jandl hätte ich für Heinz Erhardt gehalten und Schwitters für einen Kronenkorken. Besteht denn überhaupt ein Zusammenhang zwischen darstellender Kunst und Literatur, zwischen der Physiognomie der Person und der ihres Œuvres, zwischen Fotografie und Werkporträt?
Wenn nicht, so lässt er sich doch konstruieren: Die Zeichnung von Mark Lammert (Heiner Müller) gleicht einer Kippfigur, die man sehr lange anschauen muss, ehe sie ihr Geheimnis preisgibt; Erika Sulzer-Kleinemeier hat 1967 Ernst Jandl abgelichtet, als wolle sie auf eine Art Wesensverwandtschaft mit Heinz Erhardt hinweisen; und dass sich Kurt Schwitters als Anna Blume inszeniert und Else Lasker-Schüler als Prinz Jussuf gehört gewiss zu den erwartbaren Mystifikationen der Frühen Moderne.
Die Dichterbilder des vorliegenden Sammelbandes sprechen von Zeitgenossenschaft: Friedrich Feigl besipielsweise war der wahrscheinlich einzige Künstler, der Kafka noch zu dessen Lebzeiten gezeichnet hat; der bekannte Porträtfotograf Sepp Dreissinger, der Hans Carl Artmann spitzwegig als "Armen Poeten" inszeniert, wurde vor allem durch seine Thomas-Bernhard-Aufnahmen bekannt; Emil von Hartitzsch, der Johann Nestroy als Pan darstellt, ist als Operettenmaler treffsicher und feinsinnig zugleich: Den verwegenen Spielwitz des "österreichischen Shakespeare" verweist er mit Flöte, Lendenfell und Ziegenfuß ins komische Fach, und tatsächlich gehörte der Pann in Offenbachs "Daphnis und Cloe" zu den zahlreichen Bühnenrollen, die Nestroy selber spielte.
Ein Manko des vorliegenden Bandes ist sicherlich, dass bisweilen mehr Gewicht auf die Dichterbiographien als auf eine semiotisch-bildsprachliche Analyse der Künstlerporträts gelegt wird. Dabei ist die Liste der Beiträger imposant und die Reproduktion der Dichterbilder hervorragend.
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