Das lyrische Ich im Süden

Ariane Huml analysiert Ingeborg Bachmanns Italienbild

Von Catherine BeckRSS-Newsfeed neuer Artikel von Catherine Beck

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Für mich ist Italien kein exotisches Land [...] und ich fühle mich dort nicht in einem anderen Land, sondern es ist für mich ein Zuhause." Diese Äußerung Ingeborg Bachmanns von 1973 ist ein eindeutiges persönliches Bekenntnis. Doch wenn man nun annimmt, dies spiegle sich auf unmittelbare Weise in ihrem Werk, irrt man.

Ariane Huml stellt einen zentralen Aspekt des poetologischen Konzepts Bachmanns in den Mittelpunkt ihrer Untersuchung: die Überlegung, daß Sprache nur einen neuen Impuls geben kann, wenn sie von einem "neuen Geist" bewohnt wird. Diese oft untersuchte These wird nun vor dem Hintergrund des Italienbildes bei Bachmann neu betrachtet. Ein interessantes Vorhaben, da seit der "Italienischen Reise" Goethes die literarische Italienreise weitreichende Wirkung hatte. Was Bachmanns Texte betrifft, hat die Bedeutung der Italienaufenthalte für ihr Werk noch keine umfassende (über die biographischen Aspekte hinausgehende) Darstellung gefunden, lediglich Arbeiten zur Bachmann-Rezeption in Italien sind erschienen.

Ariane Huml konzentriert sich im wesentlichen auf zwei Texte Bachmanns und analysiert sie vor allem im Hinblick auf die Formelhaftigkeit des Schreibens. Zum einen behandelt sie eingehend das 1956 entstandene Gedicht "An die Sonne", zum anderen den Essay "Was ich in Rom sah und hörte". Gerade in der Auseinandersetzung mit Rom als ehemaligem Zentrum des Römischen Reiches, das sich zu einer Weltstadt gewandelt hat, läßt sich die Verankerung Bachmanns in der literarischen Tradition der Italienreise ebenso ablesen, wie ihr Bestreben, darüber hinaus durch eine "neue" Sprache eine neue, weiter verweisende Tendenz aufzuzeigen. Huml nennt dies "Ritual einer künstlerischen Ausschweifung". Damit rekurriert sie sowohl auf den von ihr explizit abgehandelten Ritualbegriff innerhalb der Literaturwissenschaften als auch auf den künstlerischen Anspruch Ingeborg Bachmanns selbst.

Aber auch das spätere Werk Bachmanns wird - wenn auch nur am Rande - in Humls Überlegungen mit einbezogen. Die immer stärker werdende Thematisierung der Heimat - vor allem im Prosawerk - und damit die literarisch stark von Italien abgewandte Sichtweise steht für die ambivalenten Zusammenhänge zwischen Leben und Werk der Autorin, die sich nicht mehr vorstellen konnte, nicht in Rom zu leben und doch gleichzeitig so oft über das "Haus Österreich" schrieb.

Ariane Huml erreicht ihr Ziel, die formelhafte und ritualisierte Schreibweise Bachmanns vor der Folie des literarischen Italienbildes nachzuweisen. Dennoch fällt der Blickwinkel auf spätere Texte zu knapp aus und bleibt somit an der Oberfläche. Unter diesen Umständen hätte man auf diesen Teil ebensogut verzichten können.

Titelbild

Ariane Huml: Silben im Oleander. Wort im Akaziengrün.
Wallstein Verlag, Göttingen 1999.
304 Seiten, 24,50 EUR.
ISBN-10: 3892443300

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