Literaturwissenschaftlerinnen untersuchen Nationalität, Ethnizität und Gender im deutschsprachigen Raum.

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Wie der Titel des von Barbara Kosta und Helga Kraft herausgegebenen Sammelbandes "Writing against Boundaries. Nationality, Ethnicity and Gender in the German-speaking Context" verrät, schreiben seine Autorinnen gegen Grenzen an, womit nicht nur nationale Grenzen der deutschsprachigen Staaten gemeint sind. Denn das Interesse der in Deutschland und den USA lehrenden Literatur- und Kulturwissenschaftlerinnen konzentriert sich auf die "intersection of gender, ethnicity, and nation in the production or deconstruction of the national text". Ungeachtet ihrer verschiedenen theoretischen Ausrichtungen reagieren sie meist auf feministische Analysen. Daher erstaunt es wenig, dass sie ihr Augenmerk wiederholt auf die Sexuierungen, den genderspezifischen Konnotationen von Begriffen wie "Nation", "Heimat" oder auch dem "Anderen" richten. So weisen die Herausgeberinnen im Vorwort darauf hin, dass Sigrid Weigel und Sigrid Schade die 'Frau' als Metapher für 'Stadt' und weibliche Allegorien der Nation untersucht haben. Barbara Kosta und Helga Kraft selbst konstatieren darüber hinaus "the conceptual conflation of woman and homeland". Sicherlich zutreffende Befunde der vier Wissenschaftlerinnen, die allerdings in einem gewissen Spannungsverhältnis dazu stehen, dass Frauen ebensowohl mit dem "Anderen" assoziiert werden. Ein Spannungsverhältnis, das von Barbara Kosta und Helga Kraft jedoch nicht angesprochen wird.

Das Thema der Frau als der "Anderen" klingt in Vivian Liskas an Kristeva geschultem Beitrag zur "Neuen Frau als "Foreigner" in Annette Kolbs Roman "Das Exemlar" ebenso an wie in Claudia Bregers Auseinandersetzung mit Rosi Braidottis "Nomadic Subjects".

Inge Stephan untersucht die Medea-Darstellung und den "National discourse" in Elisabeth Langgässers "Die märkische Argonautenfahrt" und Christa Wolf "Medea. Stimmen". Auch einer der beiden Beiträge von Kraft widmet sich dieser Autorin. In ihm beleuchtet Kraft die Suche nach dem Mutterland in "Kindheitsmuster", "Sommerstück" und in "Medea. Stimmen". Ihr zweiter Beitrag befasst sich mit der Fremdenangst in den politischen Stücken von Bettina Fless, Anna Langhoff und Emine Sevgi Ödamar. Barbara Kosta, die zweite Herausgeberin, untersucht Elfriede Jelineks "Stecken, Stab und Stangl", ein Theaterstück, das die Autorin als Reaktion auf "the heinous murder" vierer junger Roma 1995 im Burgenland geschrieben hat, und das im folgenden Jahr von dem angesehenen Magazin "Theater Heute" zum Stück des Jahres gewählt wurde. In ihrer typischen Art, so Kosta, schaffe Jelinek in dem Stück eine Sprache, "that discloses precisely what it attempts to hide". Jelinek "directly contradicts" Wittgensteins oft zitiertes Diktum "Wovon man nicht sprechen kann, darüber muß man schweigen".

Mit Wagners "Ring des Nibelungen" widmet sich Monika Schausten einem musikalischen Bühnenwerk und legt in der Gegenüberstellung von Siegfried und Alberich einmal mehr dessen antisemitischen Züge offen, wobei 'jüdische' Charaktere jedoch anders als in literarischen Werken der Zeit nicht als Juden ausgewiesen sind. Im zweiten Teil ihres Beitrags wendet sich Schausten Hitlers Rezeption der Oper zu. Offensichtlich habe er sich selbst in einer sozialen Stellung gesehen, die derjenigen entspricht, die Wagner für den Künstler konstruiert habe. "The use of various forms of self-expression Wagner related to the world", so Schausten, habe es Hitler ermöglicht, "to stage himself as an ,artistic dictator'".

Im letzten Beitrag des Bandes setzt sich Andrea Reimann mit postmoderner Autorschaft und Nationalität in Monika Treuts Filmen der 1980er Jahre auseinander und findet die Grenzen des Neuen Deutschen Films offen.

R. L.

Titelbild

Barbara Kosta / Helga Kraft (Hg.): Writing against boundaries.
Rodopi Verlag, Amsterdam 2003.
223 Seiten, 48,00 EUR.
ISBN-10: 9042010266

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch