Die Poesie der Elemente

Anton G. Leitners Anthologie "Feuer, Wasser, Luft & Erde"

Von Annina MüllerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Annina Müller

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Feuer, Wasser, Luft und Erde - die vier Elemente bestimmen das irdische Leben und übten schon immer einen ungeheuren Einfluss auf die Menschheit aus. So unverzichtbar sie für uns sind, so unberechenbar sind sie gleichzeitig in der Entfaltung ihrer Kräfte. Die Luft brauchen wir zum Atmen, doch wenn sie sich in Wind umwandelt und gar zum Tornado wird, kann das dritte Element sehr gefährlich für uns werden und uns sogar das Leben kosten.

Schon in der Antike sahen griechische Philosophen die Elemente als schöpferische Prinzipien an. Feuer, Wasser, Luft und Erde übten schon immer eine Faszination auf die Menschheit aus und wurden seit eh und je in der Literatur thematisiert - bis heute natürlich.

Eine Auswahl der schönsten Lyrik über die vier Materien ist nun in einer neuen Anthologie zusammengefasst. Sie heißt "Feuer, Wasser, Luft & Erde" und widmet jedem Element ein eigenes Kapitel.

Herausgeber Anton G. Leitner schreibt im Vorwort, dass ein besonderes Augenmerk bei der Auswahl auf die lyrische Entdeckung und Wiederentdeckung gelegt wurde. Leitner möchte in seiner "Poesie der Elemente" den Gegensatz deutlich machen, der in einem Element steckt: "Im Ruhezustand bergen sie den ganzen Zauber der Poesie in sich, sind sie aber einmal entfesselt, entfalten sie eine (Ur-) Gewalt, deren Wirkungen auch der Mensch [...] ganz plötzlich und vollkommen hilflos ausgesetzt ist."

So wird zum Beispiel das Kapitel über das Element Luft mit Joseph von Eichendorffs "Mondnacht" sanft eingeleitet: "Es war, als hätt der Himmel / Die Erde still geküsst, / Daß sie im Blütenschimmer/ Von ihm nun träumen müsst." Kurze Zeit später verdeutlicht das "Donnerlied" von Justus Georg Schottelius dem Leser die andere Seite der Luft, nämlich die Luft in ihrer zerstörfähigen Kraft: "Swefel / Wasser / Feur und Dampf / Wollen halten einen Kampf; / Dikker Nebel dringt gedikkt/ Licht und Luft ist fast erstikkt."

Das kleine Büchlein ist eine Mischung, in der berühmte Autoren neben unbekannten stehen, in dem klassische Gedichte neben völlig Unerwartetem zu finden sind: "Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, / Daß ich so traurig bin; / Ein Märchen aus alten Zeiten, / Das kommt mir nicht aus dem Sinn." Im Kapitel über das Wasser sieht sich der Leser durch Heinrich Heines Gedicht über die Loreley an die Ufer des Rheins versetzt und wird von Ilma Rakusas Gedicht vom "Wasserinventar" wieder in das Zeitalter der Moderne zurückgeholt, indem sie lediglich die verschiedensten Wasservorkommnisse aufzählt: "Fruchtwasser / Fliesswasser / Flusswasser / Kielwasser / Fischwasser / Brakwasser" etc.

Alle Epochen sind vertreten, Gedichte von Paulus Melissus (1539-1602) bis hin zu Lyrikern der jüngsten Generation wie Nico Bleutge (geboren 1972) sind in der kleinen Anthologie zu finden. Alle namenhaften Dichter von Eduard Mörike über Johann Wolfgang Goethe, Annette von Droste-Hülshoff und Novalis bis hin zu Gottfried Benn und Bertolt Brecht und viele mehr werden in der "Poesie der Elemente" tradiert.

Bekannte Lyrik aus der Kinderzeit ist zu finden, so kann man in dem Gedichtbändchen "Die gar traurige Geschichte mit dem Feuerzeug" von Heinrich Hoffmann nachlesen: "Paulinchen war allein zu Haus' / Die Eltern waren beide aus. / Als sie nun durch das Zimmer sprang / Mit leichtem Mut und Sing und Sang. / Da sah sie plötzlich vor sich steh'n / Ein Feuerzeug, nett anzuseh'n. [...] Und Minz und Maunz, die Katzen, / Erheben ihre Tatzen." In Wilhelm Buschs humorvollen Gedichten wie zum Beispiel "Das Bad am Samstagabend" oder "Ein Maulwurf" findet man dann wieder Grund zum Lachen.

Die Auswahl der Gedicht ist querbeet, in ihnen findet der Leser Kritik an der Neuzeit, Gedichte zum Schwelgen, Modernes, Barockes und Traditionelles. Nur eines haben die Gedichte alle gemeinsam: Sie handeln von den vier Elementen, von ihrer Kraft und Macht, von ihrer Schönheit und Existenz.

Leitner appelliert in seinem Vorwort an die Leser und schreibt über die Schönheit der Elemente und von der Umweltzerstörung der Menschheit: "Es wäre zu wünschen, dass sich diese und andere Natur-Gedichte heimlich, still und leise ins Gedächtnis, ins Unterbewusstsein der Mitmenschen einnisten. Vielleicht bleibt dann durch die Wirkung der Poesie der ein oder andere Baum stehen, dieser oder jener Betonmischer im Ruhestand. Frei nach dem Motto: mehr Verdichtung, d. h. Gedichte im Kopf, weniger verdichtete Flächen ..."

Sein Bezug auf die Macht der Elemente, die Fluten und Schlammlawinen vom Jahre 2002 und der Feuerball vom 11. September mag ein wenig an den Haaren herbeigezogen sein.

"Feuer, Wasser, Luft & Erde" sind kein "Muss" für den Leser, jedoch weisen sie eine recht stattliche Sammlung von Gedichten auf, derer zu besitzen bestimmt kein Fehler ist.

Titelbild

Anton G. Leitner (Hg.): Feuer Wasser Luft & Erde. Die Poesie der Elemente.
Reclam Verlag, Stuttgart 2003.
182 Seiten, 5,00 EUR.
ISBN-10: 3150182468

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