Die Vorher-Nachher-Show ohne sichtbaren Effekt

Anna Romas' neuen Roman "Latte Macchiato"

Von Patricia NickelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Patricia Nickel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der neueste Roman der gebürtigen Rumänin Anna Romas verheißt mit seinem vielversprechenden Titel, einen wahren Genuss. Die Mode-Latte, bestehend aus einer Menge schaumiger Milch, vermengt mit un peu starkem, schwarzem Espresso, lässt sich easy herunterkippen - ohne Nachfolgeschäden für Blutdruck und Herz. Mit diesen Startvoraussetzungen geht der Leser an einen Roman, der sich von Mona Bernhards vorwörtlicher Lobduselei in Form mediterraner Küchenweisheiten und Rezeptionsanweisungen eigentlich einen interessanten Leseschmaus versprechen sollte.

Vorher

Eine auktoriale Erzählerstimme führt durch den Selbstfindungstrip einer schönen Verfasserin anrüchiger erotischer Romane. Alina Bell, die Hauptfigur des als frivole Satire gekennzeichneten Romans will ihr Gummigesicht loswerden, das ständig höflich lächelt, verformbar und comicartig ist. Bell hat die Maskerade der gesellschaftlich-notwendigen Anpassung satt. Ziel ist es: endlich sie selbst zu sein, das zu sagen, was sie denkt und ebenso zu handeln.

Sie verabschiedet sich zunächst von der "bitteren Tinktur des Familienlebens", von einer Gesellschaft, die "Kinderlosigkeit als ein Affront gegen die Menschlichkeit" ansieht, und von faltenzählenden Freundinnen. Dann begegnet Alina dem Hochstapler und Betrüger Karl Heinz Graf, der sich selbst Graf von Blendorf nennt, und als ein direkter Nachfahre des berühmt-berüchtigten Caligastro präsentiert wird. Karl Heinz (im Roman erhält er die sinnige Abkürzung Kaha) ist getrieben von einem ähnlichen Fluchtgefühl wie Alina. Er hält es nirgends lange aus, kommt mit seiner schier unzerstörbaren Ledervisage zwar überall gut an, muss jedoch aufgrund seiner Robin-Hood-Manier in seinem rostigen Auto schlafen. Kaha ist ein kleiner Anzeigenvertreter, der mit einer Menge Tricks, seinem strotzenden Charme, einer schier unbeschreiblichen Redekunst sich und seine Freunde über Wasser hält.

Alina verfällt Kahas esoterischem Blick und seinem ständigen Wortgeplänkel und folgt seiner Einladung, mit ihm und seinen Freunden seinen 53. Geburtstag zu zelebrieren. Dort trifft sie auf eine Menge Möchte-Gern-Aristrokraten. Beispielhaft dafür ist die bildhübsche kroatische Putzfrau Mara, ehemals Managerin, nun von Kaha zur Komtess erhoben, die häufig ihrem Putzfetisch splitterfasernackt nachgeht. Die "maskulinen Halbgötter", die ihr auf der Party begegnen, werden im Gegensatz zu ihren hirnlosen weiblichen Gespielinnen in tierphysiologische Metaphern gehüllt und so zu Erscheinungen mit wahrer "Potenz und Eleganz" stilisiert, die für Bell fast immer eine Versuchung wert sind.

Spätestens an dieser Stelle müsste ihr aufgehen, dass sie sich in der unmöglichsten Gesellschaft für eine Selbstfindung befindet. Doch Alina entwickelt sich zur Komplizin der blendorfschen Betrügerei-Spirale, indem sie für Kaha die Sekretärin und Geschäftspartnerin mimt, warum, das weiß der Leser bis zum Ende nicht. Kaha jedenfalls nutzt ihre Dummheit charmelos aus, indem er sich Geld von ihr leiht, ihre Wohnung belagert und sie mutwillig zerstört. Zwar durchschaut Alina das Imponiergehabe Kahas und seiner "Freunde", doch statt dem Club der Großmäuler den Rücken zu kehren, bleibt sie dort. Man kann dies zwar mit ihrer Arbeit über den Hochstapler Caligastro entschuldigen, wenn Alina ihre Erfahrungen mit Kaha literarisch verarbeitet, doch ihr Wunsch nach dem ursprünglichen, wahren Ich erübrigt sich schließlich ganz von selbst.

Nachher

Schnell erkennt der Leser, dass Alina nie selbst aus ihrer Haut herauskommen wird. Spätestens als sie dem Hotelier Graf Gregor Polejambe in einer Wellnessoase begegnet, wo er sich als rettende Männerhand erweist, wird klar, dass bei Romas Frau stets auf Mann angewiesen ist. In jeder nur denkbaren Situation - sei es allein bei der Überquerung eines ach so winzigen Bächleins - ist Alina auf ein männliches Wesen angewiesen, dem sie sich dankbar anvertraut. Das Gummigesicht ist vergessen, denn aus eigener Kraftanstrengung wird sie das nie so recht los, einzig die Liebe zu einem verheirateten Typen bringt die weibliche Natürlichkeit an den Tag. Frau sieht demzufolge ihre Erfüllung darin, mit ihrem Fred in einer Waldhütte zu leben und Bienen zu züchten.

Der Roman ist in einem schönen Einband gebunden, der entsprechend dem Konzept des Peter Valentin Verlages mit Illustrationen, diesmal von Klaus Bushoff, versehen ist. Die Bilder geben mit ihrem karikierenden Charakter dem Buch ein interessantes Erscheinungsbild. Dies ändert jedoch nichts daran, dass Anna Romas in Klatschblatt-Manier von dem Leiden des Adels und der Möchtegern-Elite erzählt und ihren Lesern eine Protagonistin präsentiert, die mit ihrer Naivität einfach nur langweilt. Die beschriebenen Personen werden mit allen nur denkbaren Klischees versehen, und das Frivole im Untertitel verzerrt das Satirische gänzlich. Sowohl Männlein als auch Fräulein sind gleich gesteuert, da sie beim Anblick eines knackigen Pos sofort an die ergometrisch-optimierten Hotelbetten denken müssen. Die von Körperflüssigkeiten befleckten Dekolletés wirken nur plump, und der ausgeprägte Voyeurismus der beiden Protagonisten ermüdet nach einer Weile.

Um der mageren Figuren-Situations- und Handlungsbeschreibung etwas entgegenzusetzen, müssen letztlich das hippe Kaffee-Espresso-Latte-Vokabular und die kompletten Birne-Hélène-Rezepte herhalten.

Die am Ende nachgeschobene Message der Autorin - selbst beziehungsüberdrüssige Menschen können noch Gefallen an der Zweisamkeit finden und beginnen an die Dauerhaftigkeit von Gefühlen zu glauben - wirkt wie mit dem Zeigefinger aufgedrückt.

Und Kaha? Der geht trotz seines spontanen, witzigen Charakters sowohl an seinen Ansprüchen als auch an seiner eigenen Maskerade zugrunde - denn eigentlich sehnt sogar er sich nach einem Leben im familiären Nest. Na dann. Prost Kaffee.

Titelbild

Anna Romas: Latte Macchiato. Roman.
Peter Valentin Verlag, Ludwigsburg 2003.
221 Seiten, 18,00 EUR.
ISBN-10: 3932290313

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