"Auch die Philosophie hat ihre Blüten..."

Zum Werk und zur Rezeption von Friedrich von Hardenberg, genannt Novalis

Von Thomas NeumannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Neumann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Friedrich Schlegel schrieb in den "Athenaeumsfragmenten", den Blick auf das Werk von Novalis gerichtet: "Auch die Philosophie hat ihre Blüten. Das sind die Gedanken, von denen man immer nicht weiß, ob man sie schön oder witzig nennen soll." Und genau um solche Blüten der Novalis-Rezeption, um die "Hinwendung zu seinem Werk in den Künsten (Literatur, Malerei, Musik und Film) und in weiteren Bereichen des geistigen Lebens" (2) geht es in vorliegendem Band, der auf eine Tagung der Internationalen Novalis-Gesellschaft zurückgeht.

Dabei lassen sich mehrere Schwerpunkte in dem Band ausmachen, die in unterschiedlicher Intensität behandelt werden. Gemeinsam ist ihnen die "nicht-wissenschaftliche" Novalisrezeption. Ein Teil der Aufsätze beschäftigt sich mit der Auseinandersetzung verschiedener Autoren mit Novalis (Seghers, Hilbig, Benn, Bachmann, Heine, Musil, Hofmannsthal, Strauß, Bernhard), einige Beiträger charakterisieren die Besonderheiten der nationalen Rezeption des Werkes von Friedrich von Hardenberg (Amerika, Großbritannien, Italien, Polen, Russland) und zu guter letzt wird die Auseinandersetzung mit Novalis in bestimmten gesellschaftlichen, soziologischen und kulturellen Bereichen beschrieben (Bildende Kunst, Katholizismus, Anthroposophie). Hinzu kommen Studien über "Novalis und die Dichterinnen" und über die "Novalis-Rezeption in der deutschen Moderne".

Es ist vor allem die Kontrastierung mit dem Begriff "Blüthenstaub", der die Beiträge interessant macht. Unter vielfältigen Perspektiven werden Wirkungsaspekte vermittelt, die, gemeinsam mit der "wissenschaftlichen" Rezeption des Werkes von Novalis (vgl. "Novalis und die Wissenschaften", 2000) ein abgerundetes Bild ergeben könnten. Doch leider tun sich immer wieder Lücken auf, sobald man sich den einzelnen Rezeptionsfeldern zuwendet. Nimmt man z. B. den Beitrag über Novalis und die Bildende Kunst, der natürlich schon wegen des beschränkten Umfangs in einem Sammelband nur fragmenthaft die Novalisrezeption in der Kunst skizzieren kann, fallen nicht nur dem leidlich beschlagenen Kunstwissenschaftler Namen ein, die hier erwähnenswert gewesen wären. Dass man dies nicht anhand eines Registers überprüfen kann, ist bei dem ansonsten gut ausgestatteten Band als deutliches Manko zu verzeichnen.

Dafür sei noch auf eine Besonderheit des Bandes hingewiesen. Nach jedem Beitrag wird ein Abschnitt unter dem Titel "Aus der Diskussion" abgedruckt, der zentrale Fragen aus dem Diskussionsverlauf des Kolloquiums rekapituliert. Dabei werden in mancher Hinsicht die Fragen aufgeworfen, die in einer fortgesetzten wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Thema bearbeitet werden müssten. Dieser strukturell offene Aspekt des Bandes lockert angenehm auf und bietet dem Leser anregende Hinweise für ein "Weiterdenken" des Gelesenen.

Aber einmal abgesehen von den Desideraten, auf die der Band selbstredend verweist, sind es vor allem die schon erwähnten Beiträge zu bisher in der Novalisforschung nicht berücksichtigten Themen (Novalis und die Anthroposophie usw.), durch die sich der Band unverzichtbar macht. Und um beim Titel zu bleiben, sei ein "Blüthenstaub"-Fragment aus dem "Athenaeum" der Lektüre des Sammelbandes mit auf den Weg gegeben: "Um das Gemeine, wenn man nicht selbst gemein ist, mit der Kraft und mit der Leichtigkeit zu behandeln, aus der die Anmut entspringt, muß man nichts sonderbarer finden als das Gemeine, und Sinn fürs Sonderbare haben, viel darin suchen und ahnden."

Titelbild

Herbert Uerlings (Hg.): Blüthenstaub. Rezeption und Wirkung des Werkes von Novalis.
Max Niemeyer Verlag, Tübingen 2000.
432 Seiten, 61,40 EUR.
ISBN-10: 3484108274

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