Kritik der Kritik

Über eine Rezension zu Karin Wielands bemerkenswerter Genderstudie über "das männliche Selbst im Übergang zur Neuzeit"

Von Ingrid BennewitzRSS-Newsfeed neuer Artikel von Ingrid Bennewitz

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Es ist erfreulich, wenn ein Rezensent über den Schatten seiner eigenen Ressentiments springen kann: In der Reihe "gender studies" der edition suhrkamp ist ein gutes Buch von Karin Wieland erschienen. Es enthält viele erhellende Einsichten über die Geschichte des kulturellen Konstruktes "Mann" zwischen Mittelalter und Neuzeit. Der Rezensent der "Zeit" (vom 11.2.1999) kann es gar nicht glauben: In einer solchen Reihe ein so hervorragendes Buch? "Bücher, auf denen gender studies draufsteht, werden hauptsächlich von Leuten gelesen, die gerade an einem Buch schreiben, auf dem dann auch gender studies draufstehen wird." Unter dem "unglücklichen Etikett" gehe heute vieles, "was sonst (noch) nicht geht." Karin Wieland und ihr Buch verdienen Mitleid. Denn in dieser Reihe zu erscheinen gleiche dem "Ausschluß der weiblichen Stimme aus dem männlichen Diskurs". Sie hätten besseres verdient: "Einen feierlichen Auftritt zwischen festen Deckeln [...] im Hauptprogramm [...] mit vielen Bildern." So, wie es jetzt erschienen ist, kostet es schlappe 25 Mark. Für einen Rezensenten, der das Buch ohnehin kostenlos bekommt, ist das entschieden zu wenig. Ein wertvolleres Buch wäre ihm lieber. Gewiß, Taschenbücher fallen häufiger, als sie es verdienen, durch die Selektionsmaschinerie der Literaturkritik. Das ist jedoch kein Fehler der Verlage, sondern der Kritik. Schön, daß Jörg Lau das Buch trotzdem auf sich genommen und seine Qualität erkannt hat. Schade, daß seine Rezension verbreitete Ressentiments gegen höchst produktive Forschungsinteressen verstärkt, denen sich dieses bemerkenswerte Buch verdankt.

Titelbild

Karin Wieland: Worte und Blut. Gender Studies.
Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. M. 1999.
367 Seiten, 12,70 EUR.
ISBN-10: 3518117408

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