Im Leben versagt

Arnold Stadlers Roman "Eines Tages, vielleicht auch nachts"

Von Marlin SwaneRSS-Newsfeed neuer Artikel von Marlin Swane

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Die Schildkröte war sein Vorbild und der Stellvertreter seiner kindlichen Träume: irgendwie verschwinden, innen und außen."

Schon seit seiner Kindheit will Franz von zu Hause weg. Weg von seinen sich ständig streitenden Eltern, weg von seiner Mutter, die seinen Vater immerzu als Lügner beschimpft, weil dieser sich in einer,,mobilen Besamungsstation", einem Wohnwagen, mit Liebhaberinnen vergnügt. Über verschiedene Lebenssituationen wie die Pubertät, "sein Doppelleben von Hirn und Hose", oder als Student, der als Schlafwagenschaffner jobbt, und zuletzt als Begleiter einer Schriftstellerdelegation auf Kuba, erfährt man aus dem Leben Franz Marinellis. Auf Kuba verliebt er sich dann in Ramona. Sie schaffen sich sogar zwei Schweine an, die zur Hochzeit schlachtreif sein sollen. Doch irgendwann "ist es mit Ramona nicht mehr wie am Anfang." Die Liebe zerbricht. Er hat etwas mit Rose, einem Mitglied der Delegation, und diese ist es auch, die entsetzt ist, als sie Franz drei Tage später wiedertrifft.

"Innerhalb von drei Tagen hatte sich Franz in einen Stadtstreicher verwandelt. Als sie ihn da stehen sah, brach ihr das Herz." Völlig vereinsamt,,schaute er auf ein Leben, als wäre er ein anderer gewesen, als wäre sein Leben gar nicht seines gewesen, sondern ein anderes". Am Ende wird er tot an dem Strand aufgefunden, wo er einst Ramona kennen lernte.

1999 erhielt der Sprachvirtuose Stadler nach vielen anderen Auszeichnungen den Georg-Büchner-Preis. Auch in seinem neuen Roman weiß er Worte mit unterschiedlicher Bedeutung zu verknüpfen. Dadurch wirkt etwas eigentlich Trauriges sehr komisch, "als wäre er eine Panne und ein kleiner Scherz [...], der nun von dieser Nacht an neun Monate unterwegs war, und Tag und Nacht war es Nacht."

Die Emotionen dieses Romans werden durch die auktoriale Erzählperspektive hervorgehoben. Trotzdem fragt man sich zu Beginn des Romans nach dem Motiv für Franz' Kubareise, die bis zum Ende des ersten Kapitels ein Rätsel aufgibt. Wozu der Tote am Strand? Der gelungene Aufbau des Romans wird einem erst am Ende bewusst.

Denn letztlich überwiegt die Lebensgeschichte eines Mannes, der heimatlos und vereinsamt feststellt, dass er in seinem Leben versagt hat und deshalb später tot am Strand von Kuba aufgefunden wird. Diese Lebensgeschichte hat Stadler auf seine Art interessant zum Ausdruck gebracht.

Titelbild

Arnold Stadler: Eines Tages, vielleicht auch nachts. Roman.
Jung und Jung Verlag, Salzburg 2003.
160 Seiten, 18,00 EUR.
ISBN-10: 3902144602

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch