Gefeiert wird woanders

Willi Schalks nüchternes "Jahrbuch der Werbung"

Von Frank MüllerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Frank Müller

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Krisen beflügeln und geben Antrieb zu Neuem. Ausgerechnet wer am Boden liegt, erträumt sich eine rosige Zukunft.

So auch die Herausgeber des "Jahrbuchs der Werbung", die ihre Branche nach der geplatzten Internet-Blase und den Terroranschlägen vom 11. September vor einem Scherbenhaufen wieder finden. Das schreit förmlich nach Kompensation. Und wirklich: Mit den erforderlichen "Aufräumarbeiten", heißt es, sei die "Basis für einen gesunden Beginn des Wachstums gelegt". Hier schwingt noch Zurückhaltung mit. Trotzdem ist selbst ein noch so bescheidener euphorischer Reflex angesichts des Desasters verfrüht. Die konjunkturelle Vollbremsung hält an.

Das von Willi Schalk herausgegebene Jahrbuch dokumentiert das Werbeschaffen im deutschsprachigen Raum und bezieht zusätzlich Kampagnen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz mit ein. Die Sieger des begleitenden Wettbewerbs werden mit dem "Megaphon" ausgezeichnet, jenem Schallverstärker also, der den Konsumenten die frohen Werbebotschaften nur so in den Ohren klingeln lässt. Das ist vielleicht nicht mehr zeitgemäß, dafür aber wenigstens ehrlich.

Im Jahr 2002 heißen die Gewinner Heimat (als beste Newcomer-Agentur), Saatchi & Saatchi (für die Audi-Kampagne), Heye und Partner (für einen McDonald's-Spot), Ogilvy & Mather (für die IBM-Jubiläumsanzeige) und AGI (für beste die Website). Es folgen verschiedene Themenartikel, darunter Agenturportraits, Artikel zum Kommunikationsstandort Köln und eine Übersicht zu Zahlen, Daten und Fakten im Werbejahr 2001. Den größten Teil des Buchs nehmen die eingereichten Kampagnen ein, gegliedert nach Branchenzugehörigkeit.

Verglichen mit der familiär-entspannten Atmosphäre und der Partylaune, welche die für die Branche tonangebenden Jahrbücher des "Art Directors Club" (ADC) ausstrahlen, wirkt das "Jahrbuch der Werbung" fast ein wenig bieder und uninspiriert. Es orientiert sich weniger an kreativen Höhenflügen, enthält dafür aber mehr Gebrauchswerbung. Das muss kein Nachteil sein. Ein handfester Nachteil allerdings sind die kleinen Auflagen: Das aktuelle Jahrbuch 2003 ist bereits kurze Zeit nach seinem Erscheinen vergriffen.

Titelbild

Willi Schalk / Helmut Thoma / Peter Strahlendorf (Hg.): Jahrbuch der Werbung 2002.
Econ Verlag, München 2002.
800 Seiten, 89,00 EUR.
ISBN-10: 3430150248

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