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Über Isabel Allendes neuen Roman "Fortunas Tochter"

Von Stefanie Regine BrunsRSS-Newsfeed neuer Artikel von Stefanie Regine Bruns

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Jeder Mensch wird mit einer besonderen Begabung geboren, und Eliza Sommers entdeckte frühzeitig, daß sie über deren zwei verfügte: einen guten Geruchssinn und ein gutes Gedächtnis." So beginnt die unglaubliche Geschichte einer jungen Frau, die aus Liebe ihr Leben riskiert.

Mitte des 19. Jahrhunderts: Eliza Sommers wächst als chilenisches Findelkind in der Obhut einer englischen Familie in Valparaíso auf. Sie erhält eine erstklassige Erziehung, lernt Klavierspielen und gutes Benehmen und begreift bald, daß eine Frau offenbar niemals über die gleiche Freiheit verfügen kann wie ein Mann. Gleichzeitig lebt sie in der geheimnisvollen Indiowelt ihrer Vertrauten Mama Fresia, die ihr unzählige Legenden und Mythen erzählt, sie kochen lehrt und mit den Gewohnheiten der Geister, den Eigentümlichkeiten der Natur und den Botschaften der Träume vertraut macht. Diese beiden so unterschiedlichen Kulturen prägen Eliza und verleihen ihr ungeahnte Kraft. Kaum 17jährig, verliebt sie sich in Joaquín Andieta, einen armen, chilenischen Arbeiterjungen, der keinen Zugang zu den Kreisen der feinen, englischen Kolonialherren hat.

Isabel Allendes neuer Roman erzählt von verschiedenen Ländern und Kulturen: England, Chile, Kalifornien und China sind die Hauptstationen der Geschichte. Meist jedoch erfährt der Leser nur wenig wirklich Neues: In China werden kleinen Mädchen die Füße verbunden, damit sie nicht weiter wachsen, in Chile versuchen europäische Missionare erfolglos, die Indiobevölkerung zu missionieren, und in Kalifornien herrscht wilde Goldgräberstimmung.

Auch Joaquín will sein schnelles Glück machen und geht auf die Reise, während Eliza schwanger zurückbleibt. In ihrer verzweifelten Lage wagt sie das Ungeheuerliche: Sie bricht aus ihrer wohlbehüteten Welt aus und schleicht sich mit Hilfe eines chinesischen Kochs und eines Arztes auf ein Schiff. Nach der langen, beschwerlichen Reise, auf der sie ihr Kind verliert, erreicht sie schließlich Kalifornien. Hier beginnt ihre unermüdliche, aussichtslos erscheinende Suche nach ihren Geliebten. Um zwischen den rüden Goldsuchern überleben zu können, legt sie ihr Korsett ab und verkleidet sich als Mann. Auf ihrer jahrelangen, oft abenteuerlichen Suche verwischen sich die Spuren Joaquíns immer mehr. Sie findet aber schließlich etwas anderes: sich selbst. Aus dem naiven, kleinen Mädchen ist eine selbstbewußte Frau geworden. So ist die Emanzipation der Frau in einer von Männern bestimmten Welt das eigentliche Thema des Romans.

Titelbild

Isabel Allende: Fortunas Tochter. Roman. Aus d. Span. v. Lieselotte Kolanoske.
Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. M. 1999.
480 Seiten, 25,50 EUR.
ISBN-10: 351841075X

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