Kölner Nachtleben

Marcus Ingendaays Roman "Die Taxifahrerin"

Von Ingrid IcklerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Ingrid Ickler

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Man nehme: Eine schwere Lederjacke, kurz geschorenes Haar, ein Brustwarzenpiercing und Gewalterfahrung in der Kindheit und fertig ist sie, die moderne Großstadtlesbe. So jedenfalls sieht sie aus der Sicht Marcus Ingendaays aus.

Sein Roman "Die Taxifahrerin" erzählt die unglückliche Liebesgeschichte zwischen der Analphabetin und Taxifahrerin Chris und Gudrun, einer psychotischen Boutiquenbesitzerin. Chris hat wenig Glück im Leben: Ihre letzte Freundin hat nicht nur ihre Wohnung, sondern auch ihr Konto leer geräumt, sie ist permanent pleite, hat eine gestörte Beziehung zu ihrer Mutter und kaum soziale Kontakte. Bei ihren Kollegen wird sie nicht akzeptiert. Deshalb taucht sie häufig in eine Fantasy-Welt ab, die von ihrem großen Vorbild, Prinzessin Xena, regiert wird. Nach außen wirkt Chris "cool", zu ihrer Umgebung hält sie die größtmögliche Distanz, sowohl psychisch als auch physisch.

Als sie jedoch Gudrun trifft, gerät ihr mühsam kontrolliertes Leben aus den Fugen. Gudrun ist hoch neurotisch, paranoid, gewalttätig und verbringt immer wieder lange Phasen in Kliniken. Doch gerade bei ihr gibt Chris ihren Selbstschutz auf, was sie am Ende fast das Leben kostet. Danach verschwindet Gudrun zwar körperlich aus ihrem Leben, hat es aber nachhaltig geprägt und so schließt der Roman mit einem positiven Ausblick. Chris, die mit Gudruns Hilfe Lesen und Schreiben gelernt hat, ist neugierig auf die Zukunft.

Marcus Ingendaay kann schreiben. "Die Taxifahrerin" hat einige wirklich gute Momente: Die Szene etwa, in der Chris, die wochenlang nichts mehr von Gudrun gehört hat, eine SMS von ihr empfängt, diese aber nicht lesen kann und darüber verzweifelt. Oder die Beschreibung der "Kodak-Momente", kurze Augenblicke, in denen Chris mit allen Sinnen lebt.

Doch über weite Strecken ist dieses Buch merkwürdig tot. Die Protagonistinnen sind kaum mehr als eine Anhäufung von Klischees, daran ändern auch minuziöse Beschreibungen ihrer Liebesspiele nichts.

Was will uns Ingendaay zeigen? Dass die Kölner Nächte genau so gewalttätig sein können, wie die in Chicago? Dass auf den Straßen die Gesetze des Dschungels herrschen und Polizisten zu Slapstick-Darstellern verkommen sind?

Vielleicht wird uns ein neues Werk des Autors darüber Aufschluss geben, in dem er sich mit einer Lebenswirklichkeit beschäftigen sollte, die ihm vertrauter ist.

Titelbild

Marcus Ingendaay: Die Taxifahrerin. Roman.
Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2003.
352 Seiten, 19,90 EUR.
ISBN-10: 3498032186

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