Ich möchte ein Buch werden

Max Frisch im dtv Portrait

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Ich möchte ein Buch werden", ließ Max Frisch den Literaturkritiker Karl Schmidt einmal wissen. Nicht immer pflegen Wünsche in Erfüllung zu gehen. Doch Max Frisch ist dieses - wie man weiß, manchmal etwas zweifelhafte - Glück zuteil geworden. Hat er doch Aufnahme in die dtv Reihe "Portrait" gefunden. Als Verfasserin des Bändchens zeichnet Lioba Waleczek. Wie in der Reihe üblich, liefert die Autorin kleine Interpretationen der wichtigsten - wie auch einiger weniger wichtigen - Arbeiten des Schweizer Autors sowie einen biographischen Abriss, wobei sie durchaus auch schon mal Kritisches zum Literaten Frisch anzumerken hat. So etwa, wenn sie die frühen "Blätter" als auf den ersten Blick zwar "schöngeistig anmutende Betrachtungen", die "mitunter ein wenig an Heidegger erinnern" vorstellt, allerdings hinzufügt, dass sie "nicht hinreichend zu überzeugen" vermögen. Zu oft verschleiere, verkläre und mystifiziere Frisch "das reale, den innen- und außenpolitischen Gegebenheiten verpflichtete Geschehen" durch "pathetische[n] Metaphern" und "verstiegene[n] Selbstbespiegelungen".

Gelegentlich erhält man allerdings auch den Eindruck, Werke eines ausgesprochenen Frauenfeindes geschildert zu bekommen, dessen misogyner Haltung sich die Autorin anschließt. So etwa bei ihrer Erörterung von Frischs Stück "Don Juan oder die Liebe zur Geometrie", in dem der Verfasser darstellt, wie sich sein Protagonist der Ehe und den "Verpflichtungen der Vaterschaft" entziehen will, dieser "letzte[n] Schlinge", "die das weibliche Geschlecht den zu Recht sich sträubenden Männern um den Hals legt".

Auch für Frischs kaum anders denn als chauvinistisch zu bezeichnendes Verhalten gegenüber seinen Gattinnen und Geliebten, das sich nicht nur darin äußerte, dass er deren Haut trotz aller Proteste zu Buchmarkte trug, schimmert zwischen den Zeilen immer mal wieder ein gewisses subtextuales Verständnis der Autorin hervor. So etwa wenn sie beschönigend von Frischs "eigenwilligem Treueverständnis" schreibt und bemerkt, er habe "in Wahrheit" "ein weit 'komplexeres' Verhältnis zur Ehe" gepflegt, als gemeinhin angenommen werde. Diese 'Komplexität' besteht nun etwa darin, dass Frisch während seiner Ehe mit Gertrude Anna Constance von Meyenburg eine Reihe weiterer "[m]ehr oder weniger bedeutsame[r] Liebesbeziehungen" unterhielt. Was nun aber die Treue seiner Gattinnen und Geliebten betraf, so zeigte sich Frisch hingegen höchst empfindlich. Versetzte ihn Ingeborg Bachmann, mit der er um 1960 für einige Jahre liiert war, doch in "quälende, nervenaufreibende Eifersucht" und erschütterte so sein bis dahin "weitgehend ungebrochenes männliches Selbstverständnis". Denn offenbar "überforder[te]n" Bachmanns "Vorstellungen einer freien Entfaltung ihrer Persönlichkeit" den in seiner Eifersucht zu "Jähzorn" und "blinder Wut" neigenden Frisch. So verließ er sie denn auch für die damals gerade 23-jährige Marianne Oellers, die nicht nur 28 Jahre jünger als er selbst war, sondern auch - wie es vage heißt - "in mancherlei Hinsicht eine gänzlich andere Persönlichkeit" als die Frisch "in intellektuellen Dingen bisweilen überlegen[e]" Schriftstellerkollegin Bachmann. Auch Marianne Oellers folgte einige Zeit später eine wiederum jüngere Geliebte; wie Frisch überhaupt Zeit seines Lebens Gattinnen und Geliebte immer wieder für jüngere Frauen verlassen hat.

Titelbild

Lioba Waleczek: Max Frisch.
dtv Verlag, München 2001.
160 Seiten, 8,40 EUR.
ISBN-10: 3423310456

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