Eine Handvoll Leute im Dickicht

Der Erstlingsroman von Christoph Peters

Von Lutz HagestedtRSS-Newsfeed neuer Artikel von Lutz Hagestedt

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Ich rotiere um mich selbst", heißt es vom Ich-Erzähler Thomas Walkenbach, "im Moment halte ich es am Schreibtisch nicht aus". Ein nicht mehr ganz junger Mann, ewiger Student der Kunstgeschichte, ist durchgedreht und plötzlich aus der Bahn geworfen worden. In ihm und um ihn herum herrschen Angst, Chaos, Leere, Verzweiflung. Was passiert ist, erfahren wir bis zum Ende des Romans nicht ganz genau. Jedenfalls: Hanna, die Frau, mit der Thomas Walkenbach seit zehn Jahren verheiratet ist, ist weg und kommt nicht nach Hause, der Erzähler ist nach langer Zeit das erste Mal allein, auf sich gestellt, gezwungen, die eigene Lage zu überdenken und zu meistern.

Sich neu orientieren, wieder Tritt fassen: Ein kleines Universum wird auf den ersten Seiten des Romans von Christoph Peters entworfen. Mittendrin der Ich-Erzähler Walkenbach, ein Planet, der seinen Sonne verloren hat und sich nun eine neue Umlaufbahn entwerfen muß. Er taumelt, ändert die Laufrichtung, orientiert sich schließlich an den beiden Urbildern aller Orientierung: Erinnerung und Fantasie. Aufgeregt sucht er nach dem Postkartensatz von Hendrick Douwermans Xantener Marienretabel, einem spätmittelalterlichen Juwel niederrheinischer Schnitzkunst. Walkenbach, wie gesagt, ist Kunsthistoriker, doch ein erfolgloser: Er hat im Leben noch nichts zuwege gebracht, und der heutige Tag ist nicht besser organisiert als sein bisheriges Leben.

Die letzten zehn Jahre immerhin hatten einen Inhalt, einen Hauptinhalt: Hanna, die Zahnärztin, Walkenbachs Frau. Erinnert man sich an Patrice Lecontes wunderbaren Film "Der Mann der Friseuse"? So ungefähr muß man sich das Leben des Ehepaars vorstellen. Eine Frau, die ihrem Beruf nachgeht, ein Mann, dem es genügt, ihr dabei zuzusehen, ihr das Abendessen zu bereiten und die ›Black Box‹ für ihre Erzählungen und Gedanken abzugeben. Wie bei Leconte entsteht aus dem Verlust etwas Neues, hier die Literatur, die uns von diesem früheren Glück erzählt.

Mit Christoph Peters betritt ein junger Autor die literarische Bühne - das kommt alle Jahre vor und ist an sich nichts besonderes. Doch diese neue Stimme verändert den literarischen Raum: Christoph Peters bewegt sich mit bemerkenswerter Sicherheit und Ökonomie. Sein Buch ist ein kleines Wunder, es wirkt leicht und ist doch komplex gebaut.

Titelbild

Christoph Peters: Stadt Land Fluß.
Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt 1999.
280 Seiten, 19,40 EUR.
ISBN-10: 3627000668
ISBN-13: 9783627000660

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch