So wiederholt sich auch die Liebe, und jede Wiederholung ist ihr neu

Zu Sabine Haupts Poetik literarischer Wiederholungen in der Romantik bei Tieck, Hoffmann und Eichendorff

Von Thomas NeumannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Neumann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Dem Musikinteressierten fällt zuerst der Abschnitt "Gitarrenklänge" im Inhaltsverzeichnis des voluminösen Bandes auf. Er bietet aber keinen wirklichen Einstieg in das Thema. Wie dem Leser das Inhaltsverzeichnis jedoch eingehend vermittelt, ist es vor allem die breite Materialbasis, die der Untersuchung zugrunde gelegt worden ist und die zu eingehender Lektüre einlädt. Daher ist es sinnreich, den Untersuchungsgegenstand klar zu definieren. Diesem Anliegen kommt die Verfasserin nach. Im weitesten Sinne ist es der Begriff der Wiederholung in der Literatur der Romantik bei den im Bandtitel genannten Protagonisten Tieck, Hoffmann und Eichendorff: "Vor [...] uferloser Beliebigkeit gilt es, den Untersuchungsgegenstand zu bewahren. Dazu bedarf es außer einigen - in Anbetracht der Fülle des zu berücksichtigenden Materials - nicht zu exklusiven und dennoch deutlichen Abgrenzungen vor allem einer klar umrissenen Ausgangposition. Im vorliegenden Fall wäre dies die Hypothese eines Zusammenhangs zwischen gewissen historischen, ideen- und mentalitätsgeschichtlichen Faktoren und dem Auftreten bestimmter narrativer Ordnungsmuster, genauer: zwischen bestimmten Vorstellungen von Zeit und Geschichte einerseits und Wiederholungen auf der Ebene der dargestellten Handlung oder im Bereich der Motivvernetzung andererseits."

Und erst auf den zweiten Blick gibt der Abschnitt "Gitarrenklänge" entgegen der Eingangsfeststellung zentrale Aspekte der ganzen Untersuchung frei. Es ist die Musik, die hier in den Blickpunkt gerät, der von "Gitarrenklängen" begleitete Gesang, der in den Texten der Romantiker schon den Charakter einer Erkennungsmelodie bekommt, etwa in dem Motiv des "Liedes aus der Kindheit", und sich ebenso durchgängig wiederholt wie das Motiv des Wiedersehens. In der "wiedererkannten Melodie" wird - gezeigt am "Heinrich von Ofterdingen" - in dem "Alte Klänge [die] nach mir langen" im Fremden "das verlorene Eigene erkannt". Dass die Wiederholung damit auch als konstituierendes Element für die Personen, den Inhalt und die Handlung des Romans fungiert, ist sicher keine ungewollte Erkenntnis.

Aber inwiefern ist der genannte Abschnitt paradigmatisch? Die Antwort gibt die Monographie auf über 700 Seiten, auf denen die in der Einleitung dargelegten Intentionen des Buches exemplifiziert werden: "[H]ier werden keine bisher unbekannten Fakten, kein neues Quellenmaterial vorgelegt. Beabsichtigt ist vielmehr eine Quersumme, eine bisher nie geleistete Zusammenstellung mehr oder weniger bekannter Beobachtungen und Gedankengänge. Außerdem versteht sich die Untersuchung als Beitrag zu einer ideen- bzw. mentalitätengeschichtlichen Topographie der deutschen Literatur des frühen 19. Jahrhunderts".

Auch stellt Haupt vom Leser vielleicht intendierte Überlegungen schon im Vorfeld richtig, wenn sie etwa auf die Problematik des Begriffes "Wiederholung" eingeht: "Der Gebrauch des Begriffs 'Wiederholung' impliziert [...] eine gewisse sachlich begründete Vagheit. Daher soll in den folgenden Kapiteln auch weniger der Frage nachgegangen werden, ob dieses oder jenes sprachliche Gebilde tatsächlich die Wiederholung eines anderen 'ist', als vielmehr, ob es als solches 'erscheint' der erscheinen soll und welche Funktionen es dabei im Einzelfall erfüllt." Nimmt man diese verschiedenen Aspekte zusammen, nach denen die Arbeit konzipiert ist und berücksichtigt die breite Materialbasis, auf die die Untersuchung gestellt wurde, ist es eigentlich kaum verwunderlich, dass die Monographie zu einer nutzbringenden Lektüre mit fortschreitendem Leseprozess wird. Auch die sprachliche Gestaltung spricht für eine deutliche Leseempfehlung - nicht nur für den Romantik-Spezialisten.

Nicht unerwähnt sollen die über 110 Seiten umfassende Bibliographie und das sehr nützliche Personenregister bleiben, eine gerade bei Habilitationsschriften nicht immer vorauszusetzende Selbstverständlichkeit.

Man sieht eine weit über die in der Einleitung gemachten Feststellungen der Autorin hinaus materialreiche und den Gegenstand oft bis zur Erschöpfung erörternde Monographie vor sich, die letztendlich nicht nur ihrer kenntnisreichen Materialaufarbeitung und der beträchtlichen Lektüreleistung wegen wissenschaftliche Gültigkeit beanspruchen darf, sondern trotz ihrer zunächst vielleicht abschreckenden Buchblockstärke für den Leser zur nutzbringenden Lektüre werden kann - wenn er sich auf das 'viel-seitige' Abenteuer einzulassen gewillt ist.

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Sabine Haupt: Es kehret alles wieder. Zur Poetik literarischer Wiederholungen in der deutschen Romantik und Restaurationszeit: Tieck, Hoffmann, Eichendorff.
Verlag Königshausen & Neumann, Würzburg 2002.
759 Seiten, 50,00 EUR.
ISBN-10: 3826023218

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