Dissonante Strukturen innerhalb traditioneller Ambivalenzen

Heinrich Klotz über Moderne, Postmoderne und Zweite Moderne

Von Christine KanzRSS-Newsfeed neuer Artikel von Christine Kanz

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Wie nach einem Erdbeben verwüstet, schief und krumm, und dann doch in sich stabil - so stehen die dynamischen Gebäude der dekonstruktivistischen Architektin Zaha Hadid da. Man könnte ihre verzerrten Raumkörper auch als fliegende Raumschiffe oder schwebende Satelliten bezeichnen, würde man sie dann nicht schon wieder der gewollten Dissonanz berauben. Beruhigende Ganzheit ist passé, doch die gänzliche Verabschiedung sich gegenseitig stützender Strukturen noch nicht wirklich denkbar.

Auch wenn die faszinierenden Arbeiten der bedeutendsten Schülerin des Architekturgurus Rem Koolhaas von Heinrich Klotz in nur zwei Sätzen abgehandelt werden und er den Begriff des Dekonstruierens in eine unscharfe Nähe zu dem des Destruierens bringt - was man unter Dekonstruktivismus letztlich zu verstehen hat und wie sich dieser Begriff von dem der Postmoderne zu unterscheiden weiß, wird doch zumindest ansatzweise deutlich.

Die zweite, durchgesehene Auflage von Klotz' bereits 1994 erschienenem Buch über die Kunst des 20. Jahrhunderts ist insofern eine Anschaffung wert, als es neben einer neuen Definition der Moderne auch die Verabschiedung des Postmoderne-Begriffs reflektiert, die Revisionen postmoderner Inhalte innerhalb der Kunstgeschichte analysiert und die jüngsten Strömungen der sogenannten Zweiten Moderne, zu der Klotz neben dem Dekonstruktivismus auch die Video- und die Medienkunst zählt, mit einbezieht. Klotz' These ist, daß sie die ursprünglichen Initiativen der Moderne - über den Umweg der Postmoderne - stärkt.

Zudem zeigt sein Buch zentrale Aspekte und nicht zuletzt die Ambivalenz der gegenwärtigen Kunst auf, die einerseits ohne den Einsatz der neuen Medien nicht denkbar wäre, andererseits zu weiten Teilen immer noch traditionellen Kunstkonzepten verhaftet bleibt.

Insgesamt, so wird deutlich, geht es in der Kunst des 20. Jahrhunderts stets um die Frage nach der Autonomie der Kunst. "Sobald die Kunst das Spannungsfeld einer geforderten Identität mit dem Leben aufgab, drohte sie Dekoration zu werden, sobald sie sich mit dem Leben vereinte, verlor sie sich selbst" - so resümiert der renommierte Kunsthistoriker und Gründer des Zentrums für Kunst und Medientechnologie in Karlsruhe, an dem auch solche großen (Quäl-)Geister wie Peter Sloterdijk unterrichten. Ob es auch den neuen Medienkünsten gelingt, die schwierige Gratwanderung zwischen künstlerischer Autonomie und Leben zu bewerkstelligen oder ob sie - entgegen der These von Klotz - nicht doch noch in ganz andere Gefilde vordringen können, wird sich zeigen. Bis dahin ist man mit diesem knappen Überblick in wichtige Denkbewegungen der modernen Kunst zumindest gut eingeführt. Die von Klotz übersehenen oder aus anderen Gründen nicht erwähnten Künstlerinnen und Künstler der Gegenwart müssen lauter schreien - oder auf umfassendere Analysen hoffen.

Titelbild

Heinrich Klotz: Kunst im 20. Jahrhundert. Moderne Postmoderne Zweite Moderne.
Verlag C.H.Beck, München 1999.
216 Seiten, 12,30 EUR.
ISBN-10: 3406421377

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