Die unendliche Suche nach dem Liebesglück

Über Barbara Krohns neuen Episodenroman "Die Liebe der anderen"

Von Ann-Kathrin BrandlRSS-Newsfeed neuer Artikel von Ann-Kathrin Brandl

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die erfolgreiche und mit zahlreichen Preisen bedachte Kriminalautorin Barbara Krohn (Jahrgang 1957), sonst Meisterin der psychologischen Spannung, hat sich mit diesem Episodenroman auf neues Terrain gewagt, eines, welches so alt ist wie die Menschheit selbst, aber trotzdem nie seinen Reiz verliert: die Liebe. Im Mittelpunkt stehen die verschiedenen Nuancen der Liebe zwischen Mann und Frau: das Kennenlernen, die Sehnsüchte, das Sich-Auseinander-Leben, die Enttäuschungen und Ängste, die verzweifelten Versuche der Wiederbelebung der Paarbeziehung oder auch ihr Wiedergelingen. Trotz der Möglichkeit des Scheiterns suchen die einzelnen Charaktere hartnäckig nach dem beständigen Liebesglück, wodurch der Grundatmosphäre des Romans immer ein Hauch von Hoffnung innewohnt und kaum einen bitteren Nachgeschmack hinterlässt.

Der Roman gliedert sich in zehn episodenartige Kapitel, wobei jedes eine andere Liebesbeziehung beschreibt. Diese auf den ersten Blick zusammenhangslos erscheinenden Episoden werden durch ein Symbol miteinander in Beziehung gesetzt: Der flauschige rote Muff gehört immer der Figur, in deren Innenleben man blicken kann und über deren Liebesgeschichte berichtet wird. Zusätzlich werden die Episoden von einer "Rahmenhandlung" umspannt, d. h. die erste und die letzte Episode beschreiben das gleiche Paar, während sonst die Figuren jeweils wechseln.

Ort der Handlung ist die Stadt Hamburg in der Zeit von Weihnachten bis etwa Ostern. Viele der Figuren erleben ihre Liebesgeschichte parallel, sie begegnen sich, durchkreuzen sich gegenseitig ihre Wege, ohne zu wissen, dass sie wie in einem Netz miteinander verbunden sind. Nur der Leser erhält den Überblick über das Gefühlswirrwarr der Beteiligten.

Vom alleinerziehenden Vater, der eine Weihnachtsfrau sucht und dessen Frau dem Ehe- und Kinderalltag entflohen ist, über die entscheidungsschwache Anita, den ihren mit seiner neuen Nudelmaschine kämpfenden Albert verlässt und dann durch Zufall zwischen zwei Männern steht, bis hin zum Versuch der Wiederbelebung einer alten Jugendliebe in Paris, werden viele unterschiedliche Charaktere und Situationen, die lebensnah und doch ein wenig romantisch erscheinen wollen, abgedeckt. "Wo überall lauert das Glück?" ist die Leitfrage dieses Romans. Offenbar nur auf Umwegen und es scheint nur durch Zufälle für kurze Zeit erreich- und konservierbar.

Wer auf die Auflösung der einzelnen Handlungsstränge in einem Happy-End oder einer Katastrophe hofft, wird enttäuscht. Die einzelnen Liebesepisoden bleiben unaufgelöst. In einem unpathetischen, augenzwinkernden Erzählton streift die Autorin nur die augenblickliche Gefühlslage der Figuren - schlaglichtartig -, wie Spuren im Sand, welche immer wieder weggespült werden können. Dadurch gewinnen die Episoden ein gewisses Maß an Authentizität. Zugleich bleibt eine Bewertung oder Moralisierung der einzelnen Facetten der Liebe aus. Etwas störend wirkt die Absolutsetzung der Mann-Frau Beziehung, deren Erotik auch eine mehrjährige Ehe nichts anhaben sollte. Auch werden Kinder als potentielle Zerstörer der Paarbeziehung betrachtet und fast ausschließlich als Belastung gesehen.

Dennoch ist "Die Liebe der anderen" ein durchaus lesenswertes und amüsantes Buch, welches durch die Leichtigkeit der Sprache und durch das geschickte Ineinandergreifen der einzelnen Episoden besticht.

Titelbild

Barbara Krohn: Die Liebe der anderen.
Rütten & Loening Verlag, Berlin 2003.
205 Seiten, 16,90 EUR.
ISBN-10: 3352007039

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