Verbotene Sehnsüchte

Beate Schaefers Roman "Bacchantische Nacht" setzt der Tochter des Kaisers Augustus ein Denkmal

Von Bianka BoykeRSS-Newsfeed neuer Artikel von Bianka Boyke

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Sie sperrt sich, als die Pronubia sie ausziehen will, lass mich! fährt sie die Alte an, aber diese packt sie nur bei den Schultern und sieht ihr ins Gesicht: Es ist deine Pflicht, Julia! herrscht sie das zitternde Mädchen an.

Hörst du? Deine Pflicht! Gleichzeitig beginnt sie, Julias Gürtel zu lösen.

Ich will nicht! Schreit Julia plötzlich; sie weint und windet sich aus dem Griff der Alten, doch nicht lange, denn ihr Widerstand ist schwach, weil sie genau spürt, dass es keinen Weg gibt hinaus; sie schluchzt, während die Verwandte sie entkleidet ...."

Julia, Tochter des Kaisers Augustus, ist gerade mal vierzehn Jahre alt und erlebt schon ihre Hochzeitsnacht. Sie ist nicht mehr als ein Spielzeug ihres Vaters, der sie seinen politischen Zielen opfert. Für Augustus ist die Ehe ein Instrument der Macht, des Besitzstandes - und keine Verbindung der Liebe. So bleibt Julia mit ihrem Cousin Claudius Marcellus nur zwei Jahre verheiratet und geht kinderlos in ihre zweite Ehe mit dem Soldaten und Seemann Agrippa, der so alt wie ihr Vater ist. Zwar liebt er sie nicht, doch achtet und ehrt er sie, obwohl er auf Augustus Befehl von seiner Frau geschieden wurde, die er sogar liebte. Agrippa stirbt früh, und so wird Julia ein drittes Mal verheiratet. Dieses Mal mit dem Tyrannen Tiberius, der sie aus Spaß quält und brutal vergewaltigt.

So lebt Julia zwar in Reichtum, kann ihr Leben aber nicht genießen. Immer wieder versucht sie aus ihrem goldenen Käfig auszubrechen - mit heimlichen Liebschaften oder ausschweifenden Festen. Nicht einmal ihr Vater untersagt ihr diese Freuden, obwohl seine strengen Sittengesetze bei einem Ehebruch eigentlich die Todesstrafe vorsehen. Um Julia dreht sich die "Baccantische Nacht": Ihre Nächte mit den Ehemännern und die Feste, aber vor allem die eine Nacht, nach der sich alles ändert. Denn als Julia eines Tages nach einem rauschenden Fest im Haus eines Freundes nach Hause kommt, wird sie dort von ihrem Vater erst unter Hausarrest gestellt, dann ohne Prozess und lange Erklärungen auf die einsame Mittelmeerinsel Pandataria verbannt. Sie verliert sämtliche Würden und Privilegien. Ehebruch, Hochverrat, Verschwörung und die Beleidigung der Götter werden ihr vorgeworfen. Monatelang versucht sie sich auf ihrer Gefängnisinsel an die entscheidenden Stunden des Festes zu erinnern. Doch das Geschehene will ihr nicht ins Gedächtnis kommen, es ist, als wenn es in ihr gefangengehalten wird. Selbst Rauschmittel helfen Julia nicht, wieder Herrin über ihre Erinnerung zu werden.

Bis zu dem Tag, an dem sie von Menschenhändlern aufs Meer verschleppt wird und aus Angst, als Sklavin zu enden, ins eiskalte Wasser springt. Zwar wird Julia gerettet und kehrt in ihre Zwangsheimat auf der Insel zurück, doch wird sie totkrank. Im Fieberwahn beginnt sie zu halluzinieren, und ihre Erinnerung kommt langsam zurück.

Beate Schaefer hat in ihrem Roman versucht, einen neuen Ton im Umgang mit dem antiken Stoff zu finden. Leider ballanciert sie mit ihrem modernen Erzählen auf einem sehr dünnen Seil. Denn die neudeutschen Vokabeln "Stehparty", "Happening" oder "Striptease" wecken den Leser oft unsanft aus seinen Träumen, die ihn erst kurz zuvor gekonnt ins antike Rom entführt haben. Dennoch bleibt die Geschichte von Julia ein gelungenes Denkmal für die geächtete Kaiserstochter.

Titelbild

Beate Schaefer: Bacchantische Nacht. Roman.
Eichborn Verlag, Frankfurt a. M. 2002.
276 Seiten, 17,90 EUR.
ISBN-10: 3821808837

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