Ein Gedächtnis wie ein Sieb und Finger wie eine Fee

Das Jugendbuch "35 Kilo Hoffnung" erzählt die Geschichte eines "Schulversagers"

Von Hannelore PiehlerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Hannelore Piehler

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

David war ein glücklicher Junge. Bis er in die Schule kam. "Jetzt bin ich 13 und in der sechsten Klasse. Ja ich weiß, da stimmt was nicht. [...] Ich bin zweimal sitzen geblieben, in der dritten und in der sechsten." Besserung ist nicht in Sicht. "Schule ist immer ein Drama zu Hause, das könnt ihr euch vorstellen [...] Meine Mutter heult und mein Vater motzt mich an, oder es ist genau das Gegenteil, meine Mutter motzt und mein Vater macht nichts."

Die französische Autorin Anna Gavalda hat sich nach ihren ersten beiden Bucherfolgen in "35 Kilo Hoffnung" dem Thema "Schulversagen" angenommen. Und das auf eine sympathische Weise. David schildert als Ich-Erzähler seine Probleme mit Schule und Elternhaus kindlich-offen und direkt. Er gilt als "dumm wie Bohnenstroh". Nur die Lehrerin Marie hat einmal genauer hingeschaut und auch seine Talente gesehen: "Dieser Junge hat ein Gedächtnis wie ein Sieb, Finger wie eine Fee und ein riesengroßes Herz. Es müsste gelingen, daraus etwas zu machen."

Aber es scheint eher zu misslingen. Verständnis findet David nach Marie nur noch bei seinem Opa Léon, mit dem er zusammen bastelt und handwerkt. Mit seinem großen Bastel-Talent und Erfindergeist kann David allerdings in Fächern wie Mathe oder Deutsch kein bisschen punkten. Bald hat der aufgeweckte Junge sämtliche Schulen seiner Umgebung durch - und keine will den "Versager" noch aufnehmen. Die Eltern sind hilflos - und wollen David in ein Internat schicken.

Höchste Zeit, dass er selbst aktiv wird. Und so setzt sich der Junge hin, kümmert sich nicht um Stil und "Sauklaue" und schreibt dem Direktor einer technischen Schule einen Brief. "Ich sah in Ihrem Schulprospekt, dass Sie Werkstätten haben, eine Schreinerei, Informatikklassen, ein Treibhaus und all das. Ich glaube, es zählen nicht nur Noten im Leben. Ich glaube, dass auch die Motivation wichtig ist. Ich würde gerne nach Grandchamps kommen, weil ich glaube, dass ich dort am glücklichsten bin. Ich bin nicht sehr groß, aber ich wiege 35 Kilo Hoffnung." David wird wider Erwarten von der Schule aufgenommen. Und doch kommt er nicht zur Ruhe. Denn nun erkrankt Opa Léon schwer ...

Zahlreiche komplexe Themen also, die in dem erstaunlich schmalen Büchlein von Anna Gavalda gebündelt sind. Die meisten Konflikte werden denn auch nur angerissen. Aber das gekonnt, in einer einfachen, klaren Sprache und ohne junge Leser zu überfordern. Zwar sind auch ein paar Schönheitsfehler zu finden. So erscheint die Sprache des 13-Jährigen gelegentlich etwas zu reflektiert und auch das Ende wird ein bisschen zu abrupt zum Happy End gewendet. Doch ist Anna Gavaldas erster Jugendroman sensibel erzählt und durchaus lesenswert.

Titelbild

Anna Gavalda: 35 Kilo Hoffnung. Illustriert von Claas Janssen.
Übersetzt aus dem Französischen von Ursula Schregel.
Berlin Verlag, Berlin 2004.
88 Seiten, 12,90 EUR.
ISBN-10: 3827050146

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