Ein Autor und sein Verleger

Der Briefwechsel zwischen Carl Zuckmayer und Gottfried Bermann Fischer ist ein Stück Literaturgeschichte des 20. Jahrhunderts

Von H.-Georg LützenkirchenRSS-Newsfeed neuer Artikel von H.-Georg Lützenkirchen

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der vorliegende Briefwechsel versammelt 564 Briefe aus mehr als 40 Jahren. Er beginnt mit einem Brief Zuckmayers an Bermann Fischer aus dem Jahre 1935 und endet am 21. Januar 1977, drei Tage nach Zuckmayers Tod mit einem Brief Bermann Fischers an Alice Herdan-Zuckmayer. Die Briefsammlung, die auch die Briefe der Ehefrauen Alice Herdan-Zuckmayer und Brigitte Bermann Fischer einschließt, dokumentiert zum einen die geschäftlichen Angelegenheiten zwischen Verleger und Autor. Darüber hinaus sind die Briefe aber auch ein sehr persönliches Kommunikationsmedium. So ist der Briefwechsel ein kulturelles Dokument aus einer heute fern anmutenden Zeit, in welcher der Brief als zentrales Medium der Verständigung selbstverständlich war.

Nicht zuletzt der zeitgeschichtliche Hintergrund macht den Briefwechsel auch zu einem Dokument der Literaturgeschichte. Bermann Fischer, noch zu Lebzeiten des Verlagsgründers Samuel Fischer von diesem in den Verlag geholt, leitete 1935 seit einem Jahr den S. Fischer Verlag, zu dem so herausragende Schriftsteller wie Franz Kafka, Thomas Mann, Franz Werfel, Gerhard Hauptmann und Stefan Zweig gehörten. Seit 1933 wurde indes das jüdische Familienunternehmen von den Nazis zunehmend unter Druck gesetzt, und eine Weiterarbeit in Deutschland erschien unmöglich. So verblieb schließlich ein Teil des Verlagsprogramms in Deutschland und wurde von Peter Suhrkamp kommissarisch weitergeführt; den literarisch bedeutsameren Teil des Programms aber übernahm Bermann Fischer, der den Verlag zunächst in Wien, später in Schweden und den USA weiterführte.

Carl Zuckmayer gehörte seit 1934 zum S. Fischer Verlag. Der überaus populäre und erfolgreiche Autor, der seit 1926 in Henndorf bei Salzburg lebte, war beim Ullstein-Verlag berühmt geworden ("ein Ullschwein", pöbelten die Nazis), doch musste der Verlag auf Druck der Nationalsozialisten die Kooperation mit Zuckmayer beenden. Nach dem 'Anschluss' Österreichs an das Deutsche Reich war auch Zuckmayer gezwungen zu fliehen. Seines gesamten Vermögens verlustig gegangen, konnte er über die Schweiz im Mai 1939 ins amerikanische Exil ausreisen.

In dieser bedrängten Lage war für Zuckmayer der von Bermann Fischer geführte Exilverlag überlebenswichtig. Denn die Brotarbeit als Drehbuchautor deprimierte den Erfolgsautor. Schon Anfang Mai 1938 hatte er drängend vermerkt "... wie wichtig es für mich persönlich wäre, wieder eine Verlagsheimat, einen Standort für meinen wirklichen und legitimen Beruf, zu haben. Denn bei dieser Filmplackerei [...] geht man vor die Hunde, es ist die völlige Abtötung der freien Produktivität, mit der allein Großes zu erreichen ist." Und sollte es nicht auch zum Guten des Verlags sein? "Bedenken Sie folgendes," schrieb er wenige Tage später, "dear Godfrey, ich bin, ohne Überheblichkeit gesagt, von den Jüngeren [...] Ihr bestes Pferd im Stall, und kann, wenn ich die Möglichkeit bekomme, auf dem Weg zu Weltruf und Welterfolg sein."

Einstweilen aber bestand diese Möglichkeit nicht. In Amerika lebte Zuckmayer auf eigenen Wunsch ein abgeschiedenes Farmerlandleben, das er in einem Brief vom November 1942 einmal selbstbewusst-ironisch als "farming for victory" bezeichnet, eine Art Selbstbehauptung gegen die von Deutschland ausgehenden Kriegsschrecknisse, deren Neuigkeiten aber nur sporadisch in die Vermonter Abgelegenheit dringen. Überhaupt sind der Krieg und die Politik nur beiläufig Bestandteile des Briefwechsels. "Im Denken radikal - im Handeln konservativ - im Fühlen liberal" -, entsprechend dieser von Dorothy Thompson übernommenen Dreiteilung behauptete Zuckmayer einen unabhängigen politischen Standpunkt, der sich allen zeitbedingten ideologischen Vereinnahmungsversuchen verweigerte. Zustimmung fand diese Haltung bei Bermann Fischer. Als dieser 1940 über Wladiwostock und Yokohama nach Los Angeles ins amerikanische Exil gelangte, gab er ein knappes Urteil zu den russischen Verhältnissen ab: "Ich kann Ihnen versichern, daß ich niemals etwas so niederdrückendes erlebt habe, wie dieses Erlebnis Russland, 23 Jahre nach einer Revolution, die die Befreiung des Proletariats verkündete. Man hat ihm die Lumpen- und Dreckfreiheit gebracht. Als hätte eine Horde von Verbrechern ein Land überfallen, ausgeraubt und verwüstet und wüsste jetzt nicht weiter."

Nach dem Kriegsende konnte Zuckmayer bereits 1946 als Beauftragter der Amerikaner für das Theaterwesen wieder nach Deutschland einreisen. Mitgebracht hatte er das noch im amerikanischen Exil fertiggestellte Stück "Des Teufels General", das zum erfolgreichsten Theaterstück der Nachkriegsjahre wurde. Auch Nachfolgendes wie "Barbara Blomberg" (1949), "Gesang im Feuerofen" (1951) oder "Das kalte Licht" (1955) fand bis in die frühen 60er Jahre ebenso sein Publikum wie die Wiederaufführung solcher Erfolgsstücke aus den 20er Jahren wie "Der Hauptmann von Köpenick" (1931), "Schinderhannes" (1926) oder "Katharina Knie" (1928).

Von diesem Erfolg profitierte auch der 1950 nach Deutschland zurückgekehrte S. Fischer Verlag. Dennoch war das Verhältnis zwischen Autor und Verleger zuweilen Belastungen ausgesetzt. Das lag vor allem an Zuckmayers finanziellen Unduldsamkeiten "Halte mich nicht für 'geldgierig'", forderte er beispielsweise im Herbst 1960 vom Verlag eine Art Risikoabsicherung durch Vorschüsse, "aber ich habe, im Gegensatz zu Euch, kein Vermögen, und keine Vermögenswerte ausser dem Haus und dem Grundstück hier, in das ich alles hineingesteckt habe." und: "Ich muß gestehen, dass ich es manchmal mit einer gewissen Lebensangst vor diesem ungesicherten Alter zu tun kriege." Zur Unterstützung solcher Forderungen verwies Zuckmayer gerne auch auf seine überaus lange und ertragreiche Verlagszugehörigkeit: "Tatsachen", so schrieb er im Juli 1964, "sonst nichts, die besagen, dass ich das Glück hatte, dem Verlag auch in dieser Hinsicht eine ganz nahrhafte Sau zu sein, oder wenigstens ein Schinken, eher als ein Würstchen." Und schließlich einmal mehr: "Von mir aus entspringt ein solcher Wunsch nicht der 'Geldgier', sondern er hat mit der grossen Unsicherheit zu tun, der heute meine Hauptarbeit, nämlich die für Drama und Theater, ausgesetzt ist."

Bermann Fischer wusste um den Rang dieser Hauptarbeit und er unterstützte sie. Doch schlichen sich zuweilen Zweifel ein ob des Sinns aller Anstrengungen im Nachkriegsdeutschland. Ihn bedrückten Restaurationstendenzen in der Gesellschaft, empfindsam registrierte er antisemitische Vorfälle. "Und im übrigen," schrieb er dem Freund im September 1963 nach einem solchen Vorfall, "graut es mir vor Deutschland, das unbelehrt von der Vergangenheit wieder den Weg des moralischen Verfalls und des Selbstbetrugs geht." Versöhnend aber die Antwort Zuckmayers: "Die widerwärtigen Erscheinungen, vor denen uns graut, kommen doch hauptsächlich von den 'Übriggebliebenen', den alten Stinkern und der sogenannten 'mittleren Generation', - die war es ja auch, die in der 'Weimarer Republik' das böse Potential und die eigentliche 'Reaktion' stellte. Aber heute gibt es in Deutschland eine andere Jugend ... Denk nur an die Erfahrungen, die gerade Dein Verlag mit der Aufnahme der 'Anne Frank' durch die jungen Menschen gemacht hat."

Doch war der ruhmreiche S. Fischer Verlag inzwischen selbst ins Gerede gekommen. Bemühungen um eine Nachfolgeregelung waren mehrmals durch voreilige Presseberichte behindert worden. Man spekulierte über die Zukunft des Verlags. Bermann Fischer sah in solchen Erscheinungen seine pessimistische Sicht auf Deutschland bestätigt. "Es ist nichts als diese verklatschte gehässige neudeutsche Art, diese ekelhafte devote Wichtigtuerei, diese eitle Selbstüberschätzung mittlerer Begabungen, die ein unendliches Vergnügen daran findet, das Wahre, Bedeutende herunterzureissen und aus dem Mittelmässigen einen Verein zu machen, der den Ton angibt. Eine schrecklich provinzielle Attitude, die mir das Leben in Deutschland unmöglich macht." Der Brief vom August 1965 endete: "Ich fürchte, dass es solche Verlage bald nicht mehr geben wird. Diese Art von Verleger stirbt aus. Unsere Zeit erlaubt ihn nicht mehr."

Ebenso wenig, so ahnte er wohl, wie einen Schriftsteller Zuckmayer. Zwar waren dessen Erinnerungen "Als wär's ein Stück von mir" noch einmal ein riesiger Erfolg für Autor und Verlag, doch konnte der nicht darüber hinwegtäuschen, dass Zuckmayers menschenfreundlicher Optimismus, sein "bona fide", wie er es in seiner Autobiografie selbst beschrieben hatte, in einer sich politisierenden Öffentlichkeit immer öfter als unpolitisches Versöhnlertum missverstanden wurde. Der "typische Zuck", ein lebensbejahender, in einer außergewöhnlichen Beobachtungsgabe ruhender, kraftvoller Stil, der sich auch in den persönlich erzählenden Briefen findet, wurde als Ausdruck verharmlosender Beliebigkeit wahrgenommen und kritisiert.

Und so umweht die Briefe der letzten Jahre ein melancholischer Hauch von Abschied. Eine Epoche deutscher Literaturgeschichte geht zu Ende. In der nun dominierenden 'Suhrkamp-Kultur' wurden die letzten übrig gebliebenen Dinosaurier der S. Fischer Tradition an den Rand gedrängt. Umso intensiver wird in diesen 'Abschiedsbriefen' das tiefe Freundschaftsverhältnis spürbar. Was Bermann Fischer nach Zuckmayers Tod an Alice Herdan-Zuckmayer schrieb, galt deshalb auch für ihn selbst: "nach so langen Jahren eines trotz so unsagbarer Wechselfälle in enger Gemeinschaft glücklich durchkämpften Lebens den Gefährten zu verlieren, gehört zu den niemals ganz begreifbaren Erschütterungen unserer Existenz."

Bereits mit der Herausgabe des "Geheimreports" hatte der Göttinger Wallstein-Verlag 2002 seine Zuckmayer-Kompetenz bewiesen. Es war nicht nur die erstmals vollständig vorgestellte Sammlung der prägnanten Zuckmayer-Portraits, sondern auch die Ausstattung des Bandes: ein umfangreicher Anmerkungsapparat konnte nachgerade als eigenes Personenlexikon dienen. Dem steht der Briefwechsel zwischen Zuckmayer und Bermann Fischer in nichts nach. Den knapp 800 Seiten starken Briefband begleitet ein eigener Kommentarband, dessen Informationsfülle kaum eine in den Briefen erwähnte Person oder ein Ereignis unerläutert lässt. Eine bemerkenswerte Arbeit!

Titelbild

Carl Zuckmayer / Gottfried Bermann Fischer: Briefwechsel 1935-1977. Mit den Briefen von Alice Herdan-Zuckmayer und Brigitte Bermann Fischer. 2 Bände.
Herausgegeben von Irene Nawrocka.
Wallstein Verlag, Göttingen 2004.
1368 Seiten, 99,99 EUR.
ISBN-10: 389244627X

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