Salon Brockhaus

Der "Große Brockhaus" multimedial

Von Matthias FrankeRSS-Newsfeed neuer Artikel von Matthias Franke

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Im Wiener Kaffee "Museum" thronen zwanzig große, in dunkles Leder gebundene Buchbände auf einer üppigen Etagere. Als Robert Musil hier noch Stammgast war, gehörte die 15. Auflage des "Großen Brockhaus" genauso unerläßlich zu einer gepflegten Arbeitsatmosphäre, wie Zigarrenqualm, Zeitungen, Kaffeeduft und Kontroverse. Inzwischen bemüht man sich zum Lesen, Recherchieren und Schreiben eher an den PC als ins Kaffeehaus.

Zur Jahrhundertwende erscheint der "Brockhaus" als CD-ROM! Das Universallexikon bietet Zugriff auf 89.000 Lexikonartikel, zusätzlich auf 10.000 Fotos und Illustrationen, 100 Video-Animationen und neun Stunden Ton. Die Datenmenge benötigt den Platz von zwei CD-ROMs; zur Nutzung der Multimediafunktionen muß also häufig die CD gewechselt werden. Alternativ können die Multimedia-Daten auf die Festplatte kopiert werden. Doch dieses Opfer an Speicherplatz lohnt sich nicht, da die Software das Lexikon nicht komplett von der Festplatte startet, also ohnehin immer zumindest nach einer CD-ROM verlangt. Doch bequemer als das Hantieren mit mehreren Bänden der Buchausgabe bleibt das schnelle Eingeben eines Suchbegriffs allemal.

Leider ist der "Brockhaus multimedial 2000" schon Ende 1999 nicht in allen Punkten auf dem Laufenden: die Volltextsuche nach dem Euro-Zeichen liefert eine Unzahl an Treffern, die allesamt falsch sind. Bleibt zu hoffen, daß solche Schwächen durch die luxuriöse online-Aktualisierung von der Redaktion behoben werden können.

Die vom Verlag angepriesenen Multimediafunktionen bleiben eine bloße Zugabe zu dem schlichten Text der Artikel. Die Bilder mögen für den kleinformatigen Abdruck in der Buchausgabe hinreichend sein, auf dem Bildschirm fällt die mangelhafte Qualität stärker ins Auge. Vermutlich beschränkte man gerade deswegen die vergrößerte Darstellung der Bilder auf ein Format, das sich kaum von dem der Normalansicht unterscheidet. Die Qualität der Audiomedien ist dagegen halbwegs akzeptabel. Wer mag, kann sich die Nationalhymne von Andorra auf dem Piano, den Gesang des Erlenzeisigs und der Waldschnepfe oder die ersten paar Takte von Gioacchino Rossinis "Barbier von Sevilla" anhören. Hörproben weniger geläufiger Musik sucht man naturgemäß ebenso vergeblich wie Lesungen aus Texten, die nicht ohnehin schon altbekannt sind. Zweitklassige Sprecher tragen den Faustmonolog vor und lesen aus Kafkas "Die Verwandlung". Die Krönung der Multimedialität sind schnell vorgetragene Lexikonartikel, die um kurze Bildanimationen ergänzt werden, um dann als "Videoessays" gelten zu dürfen. Der qualitative Vorteil einer digitalisierten Ausgabe gegenüber der Papierform ist also auch beim Brockhaus nicht die Multimedialität, sondern die Möglichkeit der Volltextsuche: in Sekundenbruchteilen sind alle 292 Lexikonartikel ermittelt, in denen die Zahl 2000 vorkommt. Die Artikel und Bilder können dann gedruckt, kopiert und z.B. im Textverarbeitungsprogramm als Zitat weiter verarbeitet werden.

Leider startet die CD-ROM wegen ihres Kopierschutzes äußerst langsam. Auf Windows muß zum Abspielen der Macintosh-Audiodaten eine spezielle Software installiert werden. Diese läßt das Betriebssystem nicht eben stabiler werden und bringt mit einer erstaunlichen Zuverlässigkeiten andere Programme, die im Hintergrund laufen, zum Abstürzen. Auch das Design der Bedienungselemente zeigt deutlich, daß die CD-ROM auf einem Macintosh-System erstellt wurde; Nutzer von MS-Windows werden Schaltflächen vermissen, die deutlicher aus dem Hintergrund hervortreten. Die Oberfläche wirkt - wegen der vielen Bilder und einiger überflüssiger Buttons - nicht eben übersichtlich und funktional. Dennoch kann man schon nach kurzer Zeit die Benutzung des Lexikons erlernen und als praktische, platzsparende Arbeitshilfe einsetzen. Immerhin liefert die CD-ROM trotz der vielen kleinen Schwächen alles von A wie Aach (Name vieler Flüsse und Bäche) bis Z wie ZZ Top (amerikanische Rock- und Bluesband)! So ist der Preis für die Standardversion immer noch angemessen. Für mehr Animation und Ton, 2000 zusätzliche Weblinks, 1000 Schwerpunktartikel und die zusätzlichen 1000 Quellentexte der "Premiumversion" ist jedoch der Aufpreis von 80 Mark zu hoch! Die zusätzlichen Möglichkeiten von "Brockhaus multimedial 2000 premium" gehören sicherlich zu denen, die nur selten genutzt werden.

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Der Brockhaus multimedial 2000.
Brockhaus Verlag, Mannheim 1999.
2 CD ROM, 50,60 EUR.

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Titelbild

Der Brockhaus Multimedial 2000 premium.
Brockhaus Verlag, Mannheim 1999.
3 CD ROM, 91,50 EUR.
ISBN-10: 3411069023

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