Tolkiens Vermächtnis

Erstaunlich routiniert: Ein Jugendlicher schafft mit "Eragon" ein unterhaltsames Fantasy-Epos

Von Hannelore PiehlerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Hannelore Piehler

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Wenn das mal nicht selbst der Stoff für einen Roman ist: Ein 15-Jähriger aus Montana schreibt ein Buch, das seine Eltern in ihrem kleinen Verlag veröffentlichen. Durch Lesereisen und Mundpropaganda verbreitet sich der Roman. Von einem Schriftsteller darauf aufmerksam gemacht, nimmt Random House USA schließlich den Roman in sein Programm auf - der prompt in kürzester Zeit die Bestsellerlisten stürmt.

Christopher Paolini hat dieses werbeträchtige Kunststück vollbracht. Unter anderem von Tolkien inspiriert, hat der Jugendliche sich kurzerhand seine eigene Fantasy-Welt geschaffen. "Eragon - Das Vermächtnis der Drachenreiter" heißt das Ergebnis. Und es kann sich sehen lassen. Vom - erstaunlich routinierten - Schreibstil über die Charaktere bis zum Handlungsverlauf muss Paolini den Vergleich mit erfolgreichen Fantasy-Autoren wie Wolfgang Hohlbein keineswegs scheuen; auch wenn er an die Klasse etwa eines Tolkien dann doch nicht heranreicht. Die Geschichte um den jungen Eragon, der einen "Stein" findet, aus dem überraschend ein Drache schlüpft, ist durchweg unterhaltsam zu lesen, mitunter allerdings etwas langatmig. Eine schöne Lektüre für lange Winterabende.

Der Plot: Eragon wird durch seinen Fund nicht nur über Nacht zu einem Drachenreiter und damit einer legendären Schar von Auserwählten zugehörig, die in vergangenen Zeiten mit ihren Drachen den Frieden des Landes sicherten, sondern gerät durch dieses Vermächtnis auch ungewollt zwischen die politischen Fronten. Bald sind Häscher des Königs, der jeden Drachenreiter unerbittlich verfolgt, hinter ihm her, und Eragon nimmt mit Saphira, dem blauen Drachen, den Kampf auf. Der Ausgang bleibt ungewiss - auch nach 597 Seiten. Denn "Eragon" ist als Trilogie geplant, und der mittlerweile 20-jährige Paolini schreibt gerade am zweiten Band. Paolinis bereits existierende Fan-Gemeinde wird bis zum Erscheinen der Fortsetzung sicherlich noch anwachsen. Eine Verfilmung - laut Verlags-Info wurden die Rechte bereits von Hollywood gekauft - dürfte ebenfalls nicht unwesentlich dazu beitragen.

Doch bei allem Lob für die beeindruckende Leistung eines 15-Jährigen: Über die gängigen Schemata von vergleichbaren Fantasy-Epen kommt auch "Eragon" leider nicht hinaus. Bei der Beschreibung der Urgals sieht der Leser unweigerlich Tolkiens Orks vor sich, die Elfen sind auch hier von magischer Schönheit und die Zwerge nicht nur klein, sondern auch ganz schön eigensinnig. Interessant ist dagegen nicht nur "Held" Eragon, der durchaus auch mal ganz menschlich-banal über seine eigenen Füße stolpert, sondern vor allem der so genannte "Schatten". Zunächst als Verkörperung des Bösen dargestellt, stellt sich dieser am Ende als die tragischste Figur heraus. Daran lässt sich anknüpfen. Auf die Fortsetzung darf man jedenfalls gespannt sein.

Titelbild

Christopher Paolini: Eragon. Das Vermächtnis der Drachenreiter.
Übersetzt aus dem Englischen von Joannis Stefanidis.
C. Bertelsmann Verlag, München 2004.
608 Seiten, 19,90 EUR.
ISBN-10: 3570128032

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