Deutsche Wege nach Rom

Arnold Esch über 1.000 Jahre deutsche Rom-Rezeption

Von Christina UjmaRSS-Newsfeed neuer Artikel von Christina Ujma

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Arnold Esch, der langjährige Leiter des renommierten Deutschen Historischen Instituts in Rom, legt mit der Aufsatzsammlung "Wege nach Rom, Annäherungen aus zehn Jahrhunderten" einen Querschnitt seiner römischen Forschung vor, der sich mit ganz unterschiedlichen deutschen Besuchern der Ewigen Stadt beschäftigt.

Am Anfang steht mit dem Kapitel "Deutsche Pilger unterwegs ins mittelalterliche Rom. Der Weg und das Ziel" eine Erkundung von Reisewegen, Reisebüchern und Herbergsverhältnissen, was im zweiten Kapitel fortgesetzt wird, in dem es um die deutsche Infrastruktur im mittelalterlichen Rom geht.

In "Ein Gang durch das Rom der Hochrenaissance" führt Esch den Leser im Schlepptau eines Beamten der Volkszählung der Jahre 1526/27 durch die Stadt und lässt, gestützt auf die dabei ermittelten Zahlen und Fakten, das Rom der Renaissance auferstehen. Die Beziehung des mittelalterlichen Roms mit seinem Umland ist dagegen Thema des Aufsatzes "Tod vor Rom, Kaiser Otto III. in Castel Paterno", während in "Rom und Bursfelde, Zentrum und Peripherie" am Beispiel der Abtei des Weserberglandes erläutert wird, dass das päpstliche Rom besonders Norddeutschland im Regelfall vernachlässigte und sich lieber auf Köln, Mainz und das Rheinland konzentrierte.

Nach diesen Explorationen des deutsch-römischen Verhältnisses in Renaissance und Mittelalter lässt Esch die zumindest kunsthistorisch außerordentlich interessante Zeit des Barock links liegen, wagt einen Sprung ins späte 18. Jahrhundert und landet beim deutschen Lieblingsthema: Rom in der Goethezeit. Wer gedacht hat, hierzu gibt es nichts Neues mehr zu sagen, wird überrascht - zumindest anfänglich, denn in "Rom-Erfahrung im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert: Winckelmann, Goethe, Humboldt, Bonstetten" stellt er die deprimierenden politischen, sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse jener Jahre den Sentimentalisierungen der Literatur entgegen und bezeichnet diese ohne Umschweife als zynisch. Er spricht damit eine Tatsache aus, die die Germanistik, die Goethes "Italienische Reise" gern für bare Münze nimmt, meist ignoriert. Nachdem Esch solchermaßen die traditierte Rezeption jener Periode in Frage gestellt hat, zieht er allerdings ganz traditionell die römischen Erfahrungen Winckelmanns, Goethes, Humboldts und Bonstettens nach. Hier zeigt sich, dass der Glanz der Goethezeit auch den nüchternen Historiker nicht unbeeindruckt lässt. Denn neben der Goethe-Winckelmann-Tradition gibt es genug andere deutsche und europäische Autorinnen und Autoren, die sich durchaus mit den politischen und sozialen Verhältnissen in der Ewigen Stadt beschäftigt haben. Madame de Staël und Lord Byron sind nur die prominentesten Dichter, die in ihren römischen Werken ein Bild der Stadt entwerfen, das auch die Lebensbedingungen der Einheimischen zumindest ansatzweise kritisch beleuchtet.

Einen gänzlich unbekannten Aspekt des deutschen Lebens in der Ewigen Stadt diskutiert Esch dagegen in dem Aufsatz "Italien von unten erlebt. Handwerker, Arbeitssuchende, Vagabunden in den Akten des deutschen Hilfsvereins in Rom 1896-1903", in dem er versucht, die römischen Impressionen der Unterschicht zu rekonstruieren. Mit dem Beitrag "Die Gründung deutscher Forschungsinstitute in Rom 1870-1914" zu denen natürlich auch das Deutsche Historische Institut gehört, ist er auf eigenem Terrain angelangt, beschränkt sich aber nicht auf trockene Institutionengeschichte, sondern gibt auch einen Überblick über die Bedeutung der deutschen Wissenschaft im Italien des Post-Risorgimento. Hier wie in seinem abschließenden "Dank an Rom", in dem er an Gregorovius und den Streit über die Hauptstadtwerdung Roms erinnert, wird deutlich, dass Esch wie kaum ein anderer geeignet wäre, die Geschichte der deutschen Rom-Tradition in all ihrem Reichtum, aber auch in ihren Wechselfällen, in ihrer Sentimentalität und Widersprülichkeit zu beschreiben. In "Wege nach Rom" lässt er die Ambivalenzen der von ihm beschriebenen Tradition gelegentlich kurz aufblitzen, um sich dann gleich wieder auf den sicheren Boden der Fakten und Archivfunde zu begeben, denen er allerdings immer lesenswerte und aufschlussreiche Einblicke in die deutsche Geschichte der Ewigen Stadt abgewinnt.

Titelbild

Arnold Esch: Wege nach Rom. Annäherungen aus zehn Jahrhunderten.
Verlag C.H.Beck, München 2003.
232 Seiten, 24,90 EUR.
ISBN-10: 340650275X

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