Lebensnah und aktuell

Über Schiller in Bild und Wort

Von Ursula HomannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Ursula Homann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der Reiz dieses außergewöhnlichen Schiller-Buches - es entstand in Zusammenarbeit mit der Deutschen Schillergesellschaft - liegt sowohl in seinem Bilderreichtum als auch darin, dass hier das Leben des Dichters nicht durchgängig in zusammenhängenden Kapiteln erzählt wird, sondern dass man am Leitfaden wichtiger Daten und Stationen in 38 Szenen durch Schillers Leben geführt wird und auf diese Weise ein lebensnahes und aktuelles Schiller-Bild erhält, fernab von allen Verklärungen, wie sie im 19. Jahrhundert üblich waren. Hinzu kommt, dass die unterschiedlichen essayistischen Darstellungen und Sichtweisen verschiedener Verfasser für Buntheit und Abwechslung sorgen, wobei die Zuverlässigkeit der mitgeteilten Informationen durchaus gewährleistet ist, da alle, die an diesem Band mitgewirkt haben, wissenschaftlich ausgewiesene Schiller-Experten sind, die auch an der Nationalausgabe seiner Werke beteiligt waren: sowohl die Herausgeber Norbert Oellers, emeritierter Professor für Neuere deutsche Literaturgeschichte an der Universität Bonn, und Axel Gellhaus, Dozent für Neuere deutsche Literaturgeschichte in Aachen, wie auch die Autoren Georg Kurscheidt, Ursula Naumann und Roswitha Klaiber. Ansprechend wirkt der Band vor allem aber auch durch seine zahlreichen in schwarz-weiß gehaltenen Abbildungen, bei denen die zu Lebzeiten Schillers entstandenen Illustrationen, Gemälde, Stiche, Radierungen mit aktuellen Fotografien geschickt kombiniert wurden, die in ihrer Gesamtheit viel Atmosphäre ausstrahlen. Hilfreich sind ferner kleine Anmerkungen in den Randspalten auf den dazu gehörenden Seiten, womit lästiges Suchen und Hin- und Herblättern entfällt.

So wird man nach und nach mit der Lebensgeschichte eines Menschen vertraut gemacht, der aus ärmlichen Verhältnissen kam, von schwacher körperlicher Konstitution war, unter schwierigen Umständen aufwuchs und dennoch eine Epoche zu prägen und viele Leser mit seinem Werk mitzureißen vermochte.

Wie oft üblich, geht es auf den ersten Seiten zunächst um Geburt und Taufe, wobei auch Schillers Geburtshaus in der Niklastorgasse in Marbach zu sehen ist. Aus einer früheren Schiller-Biografie, die hier zitiert wird, erfahren wir, dass der Dichter ein "gescheites, verträgliches, gutherziges und liebevolles Kind" gewesen war. Schon in jungen Jahren erhielt er Latein- und Griechischunterricht bei dem Pfarrer Philipp Ulrich Moser, der ihn so stark beeinflusst hat, dass Schiller den Wunsch äußerte, Pfarrer zu werden, sehr zum Wohlgefallen seines Vaters. Doch als Friedrich Schiller im Jahr 1773 in die herzogliche Militär-Pflanzschule eintrat - durchaus nicht freiwillig -, musste er seinen Wunsch nach einem Theologie-Studium aufgeben. Die Erziehung, die er in der herzoglichen Anstalt genoss, beschrieb der Dichter später in seiner Zeitschrift "Thalia" als "Folter". Seinem Landesherren Carl Eugen aber widmete er sein zornig-böses Gedicht "Die schlimmen Monarchen". Immerhin regierte dieser im Stil eines absolutistischen Kleinstaatenfürsten und verfügte als Patriarch über seine Landeskinder nach Gutdünken. Nicht nur die unter dem Herzog erlittene Unfreiheit hat Schillers Jugend nachhaltig gekennzeichnet, auch Freundschaften mit Gleichaltrigen und besonders der Umgang mit seinem Lehrer Jakob Friedrich Abel. Abels Auffassung, dass Tugend die fortschreitende Entwicklung aller Kräfte des Menschen zur Vollkommenheit sei, ist dann Schillers eigene lebenslange Überzeugung geworden.

Ein weiteres Kapitel erzählt von Schillers Bohemeleben in Stuttgart, wo der entlassene Akademiezögling die lang entbehrte Freiheit in vollen Zügen genoss. Natürlich wird auch der spektakulären Uraufführung der "Räuber" am Mannheimer Nationaltheater die gebührende Beachtung geschenkt. Schillers Flucht mit Andreas Streicher wird erwähnt, sein Unterschlupf in Bauerbach bei Henriette von Wolzogen, seine Entwicklung als Theaterdichter, seine finanziellen Nöte, die Begegnung mit der verheirateten Charlotte von Kalb, die für ihn eine ähnliche Bedeutung bekam wie Charlotte von Stein für den jungen Goethe sowie seine lebenslange Freundschaft mit Körner, der Schillers Ratgeber in literarischen wie in praktischen Dingen des Lebens wurde, auch wenn er diese Stelle später mit Humboldt, Goethe und Wilhelm von Wolzogen teilen musste.

In einem anderen Kapitel werden die Frauen, denen Schiller seine Aufmerksamkeit geschenkt hat, im wahrsten Sinne des Wortes dem Leser bildlich vor Augen geführt, wie auch die mitunter recht idyllischen Orte, an denen sich Schiller aufgehalten hat, wie etwa Tharandt, das malerische Dorf vor den Toren Dresdens, das hübsche Städtchen Tübingen am Neckar, Schillers späteres Gartenhaus in Jena sowie Ansichten von Weimar einst und heute.

Ein Beitrag handelt von Schillers Ankunft in Weimar, der kleinen Residenzstadt, die viel berühmter war als die meisten größeren Residenzstädte in Deutschland, weil die kunstliebende Herzoginmutter Anna Amalia und ihr regierender Sohn Carl August sie zu einem "Musensitz" gemacht hatten. Wieland, Goethe und Herder hatten sich anwerben lassen und der Stadt Glanz gegeben, so dass ihr schon bald der Ehrenname "Ilm-Athen" zugesprochen wurde.

Einzelne Aufsätze berichten von Schillers Antrittsvorlesung in Jena 1789, von seiner Begegnung mit den Schwestern von Lengefeld, von seiner Krankheitsgeschichte, dem Beginn seiner Freundschaft mit Goethe. Am Freitag, den 13. Juni 1794, hatte sich Schiller, schreibt Oellers, mit den von ihm am meisten bewunderten und verehrten Geistern seiner Zeit, mit Kant und Goethe, in persönliche Beziehung gesetzt und sie zur Mitarbeit an den "Horen" eingeladen. Zur Mitarbeit kam es "nur" mit Goethe, aber mehr noch: Es begann damit die Annäherung an den Weimarer Dichterfürsten, die dann schnell zur Freundschaft wurde.

Georg Kurscheidt vermittelt einen lebendigen Einblick in die gemeinsame Arbeit an den "Xenien", in denen die beiden Freunde einzelne Personen ihrer Umwelt aufs Korn genommen und Kritik an Zeiterscheinungen geübt haben, wobei Schiller gelegentlich vor bloßer Wortspielerei und Verballhornung von Namen nicht zurückscheute, sodass Goethe sich mitunter veranlasst sah, mäßigend einzugreifen und Schiller daran zu erinnern, "dass wir bey aller Bitterkeit uns vor kriminellen Inkulpationen hüten."

Immer wieder stößt man, neben scharfsinnigen Analysen, Berichten von Theater- Uraufführungen und Zitaten aus früheren Schiller-Biografien, auf amüsante Episoden und kleine Alltagsgeschichten aus Schillers Leben. Beispielsweise haben weder Frau Charlotte noch Schiller selbst als studierter Mediziner oder ihr Hausarzt lange Zeit bemerkt, dass Lotte schwanger ist. Erst im siebten Monat wird klar, was es mit Charlottes Unpässlichkeiten auf sich hat. Daraufhin lässt Schiller einen Freund wissen, dass seine Frau "sich schon im siebten Monat der Schwangerschaft befindet", und er fügt hinzu, "es ist mir, als wenn ich die auslöschende Fackel meines Lebens in einem andern wieder angezündet sähe, und ich bin ausgesöhnt mit dem Schicksal." Schiller entwickelte sich alsbald zu einem heiteren und zärtlichen Vater. Er selbst hat häufig bekannt, dass er sich "recht glücklich" fühle im "stillen Kreis" seiner Familie. "Ernstchen ist ein rechtes Goldmännchen im Hause", und "Karolinchen ist sehr vergnügt und lobt mich in einem fort, dass ich sein höfliches Hofrätchen sey." Der Dichter, der sich durch seine harte Erziehung beschädigt fühlte, und seine Frau achteten sehr darauf, dass ihre Kinder ohne Angst vor Schlägen aufwuchsen. Aus allen Kindern Schillers, lässt uns Ursula Naumann wissen, ist etwas "Ordentliches" geworden. Es fehlt in dem Band also keineswegs an spannenden und mitunter fast rührenden Szenen aus Schillers Privatleben.

Als Schiller im November 1802 die Nachricht von seiner Erhebung in den Adelsstand erhielt, gab er "das Schriftstück seiner Frau, die ziemlich aufgeregt war. Sie las es mehrmals für sich, dann holte sie die Kinder (den neunjährigen Karl, den sechsjährigen Ernst und die dreijährige Caroline) und las das Ganze langsam vor. Zwanzig Minuten brauchte sie dafür. Welch ein Glück: ,von Schiller'!", bemerkt Oellers. Charlotte sei überglücklich gewesen, weil sie "ab sofort wieder freien Zutritt zum Hofe hatte."

Dann wieder versucht Norbert Oellers, sich in Schiller hineinzudenken und fragt, als er von Schillers nächtlicher Arbeit am "Wallenstein" berichtet: "War Schiller, wenn ihm in arbeitsreichen Nächten gelang, was er sich vorgenommen, was er vielleicht erträumt hatte, glücklich? Befand er sich in Ekstase? Fühlte er sich in jener Nacht vom 14. auf den 15. Januar 1798 ähnlich, wie sich Kafka in der Nacht vom 22. auf den 23. September 1912 fühlte, als er 'Das Urteil' schrieb - von 10 Uhr abends bis 6 Uhr früh in einem Zug"?

Als Schiller gestorben war, schrieb Goethe zwei schöne Verse: "Seine durchgewachten Nächte / Haben unsere Tage gehellt."

Der prächtig ausgestattete Band, der 1999 zum ersten Mal erschien und jetzt in einer unveränderten verbilligten Sonderausgabe neu aufgelegt wurde, ist, alles in allem, ein Geschenk und eine Bereicherung für Schiller-Freunde und -Kenner und solche, die es werden wollen.

Titelbild

Axel Gellhaus / Norbert Oellers (Hg.): Schiller. Bilder und Texte zu seinem Leben.
Böhlau Verlag, Köln 2004.
406 Seiten, 29,90 EUR.
ISBN-10: 3412126047

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