Lesemarathon

Siegfried Lenz liest seinen Roman "Deutschstunde"

Von Lutz HagestedtRSS-Newsfeed neuer Artikel von Lutz Hagestedt

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Eine beachtliche Leistung: Mit fast jugendlicher Stimme und Ausdauer las Siegfried Lenz im April 1995 seinen wohl bekanntesten Roman "Deutschstunde" - und der Hessische Rundfunk zeichnete auf. Es ist, nach Reiner Unglaubs Sprechversion aus dem Jahre 1995, die zweite Lesung des Romans in voller Länge, lieferbar auf zwölf Ton-Kassetten mit circa zwanzig Stunden Spieldauer.

Siegfried Lenz kennt seinen Text genau, verliest oder verspricht sich kaum und läßt gelegentlich, wenn es ihm notwendig erscheint, ein paar erläuternde Bemerkungen einfließen. Im Hintergrund wird bisweilen etwas von der Atmosphäre im großen Sendesaal des Hessischen Rundfunks spürbar, Gelächter zumeist, amusiertes Publikum. Die starken Bilder des Romans kommen auch in der Lesung zur Geltung: Wie der Polizeiposten Jepsen dem Maler Hansen das Malverbot überbringt; wie Siggi, der Erzähler, vom Vater durchgeprügelt wird, weil er bei Gewitter nicht zu Hause war; wie der ältere Bruder mit einem Bauchschuß aufgefunden wird; ferner die knisternd-erotische Bildbeschreibung der "Wellentänzerin", eines Bildes, für das Schwester Hilke dem Maler Modell gestanden hat. Hier wird der Familie Jepsen schlagartig klar, wie brüchig ihre Front gegen den "Ungeist" der Kunst gewesen ist.

Die Lesung macht auch die Schwächen des Romans hörbar, die papierenen Passagen, die behäbige Beschreibungsprosa, die stereotype Charakterzeichnung, die dünne Psychologie, die bemühte Pädagogik, das schlechthin Gutgemeinte des Romankonzepts. Dennoch: Es liegt eine angenehme Entspanntheit in dieser Produktion, man hört Siegfried Lenz gerne zu, durchaus mit Lust und Respekt für seine Leistung.

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Siegfried Lenz: Deutschstunde. 12 Cassetten. Gelesen von Siegfried Lenz.
Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 1999.
19 h, 99,99 EUR.
ISBN-10: 3455301886

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