Lustvolles Suhlen im Sumpf der Leidenschaften
Pedro Juan Gutierrez' "Der König von Havanna" als Hörbuch und sein neuester Roman "Animal Tropical"
Von André Schwarz
Besprochene Bücher / LiteraturhinweisePedro Juan Gutierrez ist hierzulande zwar kein Unbekannter mehr, aber als Erfolgsschriftsteller gilt er nicht gerade. Seine "Schmutzige Havanna Trilogie", mit einer vierjährigen Verspätung 2002 bei Hoffmann und Campe erschienen, war für Zartbesaitete harte Kost. Auch in den beiden folgenden Büchern, "Der König von Havanna" und "Animal Tropical", suhlt sich Gutierrez in einem Sumpf aus Dreck, Schweiß und diversen Körperflüssigkeiten. Schonungslos seziert er die Schattenseiten des socialismo tropical, in einer derb-obszönen, brutalen, manchmal geradezu plumpen Sprache durchschaut er ernüchternd pragmatisch die allgemeine Situation. Moralisch Korrektes kann man aber nicht erwarten, lustvoll zelebriert er seine Hommage an das Leben und - man mag es anhand einiger Passagen kaum glauben - auch an die Liebe. Gutierrez ist von der Literatur etwa einer Zoe Valdes meilenweit entfernt, er gibt nicht vor, moralische Prinzipien hochzuhalten, sondern er schreibt unmoralisch, schlampig, sein Personal hat keine Bedenken und Skrupel, sie sind auf der Suche nach Sex, nicht nach hehren Zielen.
Gutierrez liebt die Provokation, seitenweise prahlt er von grandiosen Sexabenteuern mit unzähligen Orgasmen, von "wunderschönen vollen Brüsten" und "mit Sonnenöl eingefetteten" männlichen Geschlechtsteilen, die Standardlängen um ein Vielfaches überschreiten. Pornografie? mag man sich da fragen, doch sind das nur Posen, geschickt ausgewählt, nicht um den Voyeurismus der Leser zu befriedigen, sondern um das eigentliche Anliegen, die Lust auf das "Fest des Lebens" scheinbar zu verschleiern.
"Der König von Havanna" liegt nun als Hörbuch vor, die hemmungslose, drastische, aber letztlich auch sinnliche und schöne Romanze zwischen dem Herumtreiber Reynaldo und Magda wird von Stephan Benson souverän gelesen, wenn er auch gelegentlich etwas übertreibt. Es lohnt sich aber durchaus, diesen Reigen aus Sex, Wahnsinn und Schmutz anzuhören und sich wie Reynaldo einfach treiben zu lassen.
In "Animal Tropical" verlässt Gutierrez Havanna, zumindest zeitweise. Teile des Buches spielen in Schweden, wo der Ich-Erzähler, ohne größere Probleme als Alter Ego des Autors zu erkennen, auf Einladung seiner Literaturagentin weilt. Mit ihr teilt er auch - man ahnt es - das Bett, Guitierrez begnügt sich aber nicht damit, lediglich die sexuellen Unterschiede zwischen Kuba und Schweden darzustellen, vielmehr gerät ihm die unverblümte Beschreibung seiner Zeit bei Agneta zu einer grandiosen, hintersinnigen Darstellung der kleinen Besonderheiten und Heimlichkeiten des sich liberal gebenden, hinter der Fassade aber doch recht langweiligen Schweden.
Gutierrez' Stil ist sicher nicht jedermanns Sache, wer sich aber darauf einlässt, wird mit fulminanten, ausschweifenden Geschichten konfrontiert, deren Qualität hinter der Fassade aus Sex und Schmutz umso mehr hervortritt.