Von gelehrten Affen, Fußnotenwahn und Kongresstourismus

Eine breit gefächerte Darstellung der Gelehrtensatire seit der Aufklärung

Von Christoph Schmitt-MaaßRSS-Newsfeed neuer Artikel von Christoph Schmitt-Maaß

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Auch in Zeiten, in denen "Bildungsentertainer" und Ratespielmillionäre hoch im Kurs stehen, haben die akademischen Gelehrten einen schweren Stand - ihre angebliche Weltfremdheit und Pedanterie legen nahe, dass mit der Forderung nach "Eliteuniversitäten" auch eine stärkere Realitäts- (und das heißt: Wirtschafts-)bezogenheit gemeint ist.

Alexander Košenina, der selbst der gelehrten Zunft enstammt (er lehrt Deutsche Literatur in Bristol), legt nun mit "Der gelehrte Narr" eine breit gefächerte Übersicht über verschiedenste Typen von gelehrten Narren vor. Die nahezu 500 Seiten umfassende Studie konzentriert sich auf aufklärerische Gelehrtensatiren, denen Košenina mit detektivischem Gespür nachgeht. So entwirft er ein Panorama, dem es an Theorie nicht mangelt, das aber ohne Theorieentwürfe auskommt. Vielmehr veranschaulicht er in einer Imagologie das Ineinandergreifen von grafischer und belletristischer Satire, indem er anhand ausgewählter Blickwinkel (Physiognomie, Institutionen, Gegenstände und Verfahren) das satirisch entworfene Bild des Narren nachzeichnet. Dass sein Schwerpunkt auf der Literatur und Karikatur des 18. Jahrhunderts liegt und Gegenwartsliteratur mehr als exkursorischer Beleg für die angeführten Imagi dient, schwächt den Beitrag nur unerheblich - ebenso die weitgehende Vernachlässigung der Satiretheorie der Aufklärung.

In seiner Verknüpfung von Text und Bild einerseits, der breiten Anlage und leichten Lesbarkeit andererseits macht sich Košenina die Vorzüge des angelsächsischen akademischen Stils zu eigen, der die Bewältigung eines komplexen Gegenstandes mit leichter Lesbarkeit (die ironische Seitenhiebe gegen deutsche akademische Gepflogenheiten nicht ausspart) kombiniert. Der Vorteil einer solchen Darstellung liegt auf der Hand: Sie richtet sich an den literarhistorisch wie sozialgeschichtlich interessierten Leser. Der (geringe) Nachteil besteht in der katalogartigen Aufreihung des Materials (die in ihrer Fülle den Leser überfordern dürfte und deshalb am besten portionsweise zu genießen ist). Das macht Košenina aber durch den Unterhaltungswert seines "Kuriositätenkabinetts" wieder wett. In seiner Konzentration auch auf abseitige und selten rezipierte Texte weckt er vor allem die Lust am Lesen der angeführten Textbeispiele - ein lesenswertes Buch, dass zu weiteren entdeckungswürdigen Büchern führt.

Titelbild

Alexander Košenina: Der gelehrte Narr. Gelehrtensatire seit der Aufklärung.
Wallstein Verlag, Göttingen 2003.
488 Seiten, 49,00 EUR.
ISBN-10: 3892445311

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