Sammy Gronemann - jüdischer Humorist und Satiriker

Hanni Mittelmann folgt seinen Spuren in Deutschland und in Palästina

Von Ursula HomannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Ursula Homann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Zu den wichtigsten Humoristen und Satirikern im Judentum vor dem Holocaust zählt zweifellos der Rechtsanwalt, Schriftsteller und Journalist Sammy Gronemann. Seinen satirischen Humor bezog er zusammen mit seiner Zuversicht, seiner Identität und der Deutung seines Lebens aus der jüdischen religiösen Tradition und dem politischen Zionismus.

Geboren wurde Sammy Gronemann als Sohn des Rabbiners Selig Gronemann am 21. März 1875 in Strasburg/Westpreußen. Seine Mutter Helene Breslau stammte aus Russland. Sammy Gronemann selbst hat seine Geburt in einem Briefentwurf Ende September 1933 im Pariser Exil wie folgt beschrieben: "Ich bin im Jahre 1875 zu vorübergehendem Aufenthalt auf diesen Planeten entsendet, mit dem Rechte jederzeitigen Widerrufs durch den unbekannten Sender. Ich bin am Purim zur Welt gekommen und habe, ohne im übrigen Neigung zur Astrologie zu haben, nach Möglichkeit mein Leben im Zeichen dieses Tages gestaltet."

Die durch sein Elternhaus vermittelte feste Verankerung in der religiösen Tradition gab Sammy Gronemann einen gewissen Schutz vor antisemitischen Anfeindungen, denen er wie viele Juden seit seiner Kindheit ausgesetzt war. Zu seinen Schulkameraden in Hannover, wo er das Gymnasium besuchte, nachdem sein Vater dort Landes- und erster Ortsrabbiner geworden war, gehörte der spätere Dichter Börries von Münchhausen, der den Juden zunächst freundlich gesonnen war, aber dann immer stärker ins nationalsozialistische Fahrwasser geriet. Gronemann zitiert in seinen "Erinnerungen" aus einem Brief, den er von dem Nachfahren des berühmten "Lügenbarons" kurz vor Hitlers Machtergreifung erhielt: "Sie sind Davidsternler, ich bin gewiß kein Hakenkreuzler, aber doch werden Sie begreifen, daß es mir als deutschem Schriftsteller peinlich ist, wenn in der deutschen Literatur Juden eine führende Stellung innehaben, aber das könnte noch angehen. Was für mich schlicht unerträglich ist, ist, daß sie diese Stellung mit Recht innehaben."

Nach dem Besuch des Gymnasiums vertiefte Gronemann 1894 ein Jahr lang in Halberstadt seine talmudischen Kenntnisse und studierte anschließend in Berlin Jura. Er lebte eine Weile in der orthodoxen Gemeinde Adass Jisroel, der Austrittsgemeinde Esriel Hildesheimers, die sich aufgrund religiöser Bedenken 1869 von der Berliner Gemeinde getrennt hatte, und schloss sich dem "Dibbuk-Chawerim" an, einem Verein der Studenten des Hildesheimer Rabbinerseminars. Hier fand er die Gelegenheit, sein dichterisches Talent zu entwickeln und sich vor Publikum erfolgreich als Autor und Schauspieler mit kleinen Parodien und satirischen Theaterstücken zu präsentieren. Später eröffnete er in Berlin eine Anwaltskanzlei und wurde im Jahre 1909 Gründungsmitglied des Schutzverbandes Deutscher Schriftsteller.

Aber nicht nur auf der Bühne, auch in Zeitungsartikeln und Büchern warb Gronemann mit Humor und Ironie für seine Ansichten. Vor allem übte er Kritik am deutschen Judentum, das in jener Zeit den Höhepunkt seiner Assimilationsphase erreicht hatte, aber zugleich tief verunsichert wurde durch das Auftreten des rassistischen Antisemitismus, der die Assimilierung und Integrierung von Juden in die deutsche Gesellschaft von vornherein ausschloss. Gronemann selbst sah in der Assimilation nichts anderes als eine Philosophie des Selbstbetrugs und hielt den Zionismus für den einzigen Weg zu einem wahrhaft jüdischen Leben.

Sein erster Roman "Tohuwabohu" erschien 1920 und wurde sofort ein Bestseller. 1926 entstand sein erstes Theaterstück, das Purimspiel "Hamans Flucht", in dem der Antisemitismus in all seinen Verkleidungen entlarvt wird. Es endet mit dem Bekenntnis zum Zionismus. "Vorwärts geht der Zeiten Lauf, / Haman hängt sich selber auf."

Ein Jahr später veröffentlichte der jüdische Schriftsteller sein Werk "Schalet. Beiträge zur Philosophie des ,Wenn schon'", in dem sich die zionistische Einschätzung der Situation deutlich widerspiegelt. Angesichts der politischen Lage in Deutschland erschien es dem Autor dringlicher denn je, Juden die Absurdität einer Existenz in der Diaspora vor Augen zu führen und sie mit Ernst und Humor von der zionistischen Lösung zu überzeugen.

Ende März 1933 floh Sammy Gronmann mit seiner Frau Sonja, mit der er seit 1902 verheiratet war, vor den Nazis nach Paris und 1936 von dort nach Palästina. Mit seinen neuen Theaterstücken, in denen er die Probleme der palästinensischen Gegenwart zur Sprache brachte und in denen er häufig auf biblische Stoffe und Motive zurückgriff, machte er sich auch im jüdischen Jischuw einen Namen. Zugleich begann er, seine "Erinnerungen" niederzuschreiben, aus der Selbstgewissheit der erreichten, gesicherten zionistischen Position heraus, die die Welt der Unsicherheit und Orientierungslosigkeit des assimilierten Judentums hinter sich gelassen hat. Doch bei allem, was Sammy Gronemann sagte und schrieb, charakteristisch war und blieb für ihn weiterhin eine humorvolle und versöhnliche Sicht auf die Welt.

Die seit 1980 in Israel lebende Dozentin Hanni Mittelmann - sie lehrt an der Hebräischen Universität in Jerusalem deutsche Literatur - ist den Spuren dieses wechselvollen Lebens mit Akribie und großer Gewissenhaftigkeit und Gründlichkeit nachgegangen und beleuchtet zwischendurch, ebenfalls mit minutiöser Genauigkeit, die jüdische Geschichte der letzten hundert Jahre mit all ihren Schwierigkeiten und Zwiespältigkeiten.

Penibel wird alles aufgelistet, geschichtliche Entwicklungen, die einzelnen Stationen in Gronemanns Leben, die Bücher, die er geschrieben hat, die Gedanken, die er gehegt hat. Auf die Dauer wirken Mittelmanns Ausführungen allerdings etwas langatmig und trocken, und man fragt sich, ob nicht vielleicht etwas weniger mehr gewesen wäre. Bedauerlich ist auch, dass den humorvollen Aussagen und Anekdoten, die von Gronemann selbst stammen, nicht mehr Platz eingeräumt wurde.

Man lese nur Sammy Gronemanns vor Jahren erschienene eigene Erinnerungen, und man wird schnell entdecken, wie viel Amüsantes, aber auch Erinnerungswürdiges und Nachdenkliches er zu berichten hat, wie viel Esprit, Ironie, Selbstkritik er in einem flüssigen und eleganten Stil und in einer bildkräftigen Sprache in seinem Buch entfaltet hat. Hier einige Beispiele: Der Autor erzählt, dass er auf einer zionistischen Delegiertentagung in Berlin im Mai 1900 David Wolffsohn begegnet war und fügt hinzu: "Eigentlich hatte ich Wolffsohns Bekanntschaft schon viel früher gemacht, oder er eigentlich meine. Es muss um das Jahr 1877 gewesen sein, als er in Prostken in Ostpreußen bei einer Hochzeit mich, das zweijährige Baby, auf den Arm genommen hatte. Daher pflegte er mich als die älteste Bekanntschaft unter den deutschen Zionisten zu bezeichnen." An einer anderen Stelle erzählt er von einem Rabbiner, der gesagt hat: "Der Zionismus predige das nationale Judentum. Er erkenne aber als Juden nur solche Personen an, die irgendwie die jüdische Religion betätigten. Wer die jüdische Lehre nicht in irgendeinem Ausmaße befolge, sei kein Jude. Darauf fragte ich mit aller Bescheidenheit: ,Herr Rabbiner, wenn in Ihrer Gemeinde jemand lebt, der sich öffentlich als Atheist bekennt, nichts vom Judentum hält als allenfalls das ,Berliner Tageblatt', am Versöhnungstag nicht fastet, würden Sie diesen Mann nicht auf dem jüdischen Friedhof beerdigen? Ich bin sogar überzeugt, gerade den mit besonderem Vergnügen.'" (Entnommen dem von Monika Richarz herausgegebenen Band "Bürger auf Widerruf", 1989).

Gronemanns Glosse über Martin Buber dürfte den damals bereits in christlich-jüdischen Kreisen hoch geschätzten Gelehrten und Verfasser philosophischer Werke wie "Ich und Du" vermutlich wenig erfreut haben: "Man soll nie sagen, daß man ihn völlig verstanden hat. Erstens glaubt es einem kein Mensch. Zweitens nimmt er es persönlich übel, und außerdem ist es nicht wahr."

Ein anderes Mal antwortete der geborene Lebenskünstler auf die ihm gestellte Frage, ob er sich die teuren Havanna-Zigarren, die er mit Vorliebe rauchte, überhaupt leisten könne: "Ich wünschte, ich könnte es mir leisten, so zu leben wie ich lebe".

Sammy Gronemann starb am 6.März 1952 in Tel Aviv. Am Morgen seines Todes erkundigte er sich bei der Krankenschwester nach dem Wetter draußen. Auf die Antwort der Krankenschwester, es sei ein schöner Tag, soll Gronemann gesagt haben: "Kunststück, bei meiner Beerdigung soll kein schönes Wetter sein?"

Titelbild

Hanni Mittelmann: Sammy Gronemann (1875-1952). Zionist, Schriftsteller und Satiriker in Deutschland und Palästina.
Campus Verlag, Frankfurt a. M. 2004.
175 Seiten, 24,90 EUR.
ISBN-10: 3593375117

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