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Jazz und Rock - Zwei Bände der "Rough Guide"-Reihe

Von Thomas NeumannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Neumann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Es gibt "Rough Guides" für alle möglichen Bereiche des Lebens. Eben auch für Musik. Das ist praktisch. Jeder, der mit Musik zu tun hat, nahezu jeder, der im englischsprachigen Raum zur schnellen Orientierung etwas nachschlagen muss oder ein übersichtsartiges Kompendium benötigt, hat sicherlich schon mal den einen oder anderen Band in der Hand gehalten und um Rat gefragt. Es gibt Rough Guides zu Blues, Country, Cuban Music oder eben zum Rock, Letzteres mit "mehr als 3000 CD-Empfehlungen". Darin finden sich also Hinweise für den Grundstock einer umfangreichen Rockmusik-Sammlung oder in dem Band von Carr, Fairweather und Priestley zur Historie des Jazz ca. 1.800 Empfehlungen von wichtigen CDs - inclusive einiger Warnungen, was man auf keinen Fall hören sollte.

Ein Beispiel - "KISS". In der Auswahl der Hörbeispiele findet man im "Rough Gide Rock" folgende Beschreibung: "'Destroyer (1976; Casablanca). Die Lieblingsplatte der Fans. 'God of thunder' und 'Shout It Out Loud' sind die Hymnen, 'Beth der Tränendrücker', und 'Do You Love Me' ist die Nummer, die von Kurt gecovert wurde. - 'Double Patinum' (1978; Casablanca). Die einzige Hitkompilation, die Beachtung verdient. - 'Creatures Of The Night' (1982; Casablanca). Metallisch und fies. 'I Love It Loud' - so siehts aus." Kennt man die Diskografie von "Kiss", kann man vielleicht über die Hinweise streiten, aber sie geben auf jeden Fall einen optimalen Einblick für diejenigen, die sich aus welchen Gründen auch immer kurzfristig in das Repertoire einer der einflussreichsten Gruppen der 70er-Jahre einarbeiten muss.

Im "Rough Guide Jazz" verhält es sich ähnlich. Auch ein Beispiel: 'Gil Evans': Die Albenauswahl kennzeichnet die Eckpunkte seiner musikalischen Entwicklung: 'Great Jazz Standards' (1959), 'Out Of The Cool' (1960), 'The Individualism Of Gil Evans' (1963), 'Priestess' (1977) und 'Farewell' (1986)", wozu es heißt: "'Farewell' (1986; Electric Bird). Je älter Evans wurde, um so jünger und spontaner wurde seine Musik, die Improvisationen länger und die orchestralen Teile skizzenartiger. 'Farewell' präsentiert u. a. Johnny Coles, Lew Soloff, Dave Bargeron, Chris Hunter und Hamiet Bluiett, die alle in rasanter Form sind." Hinweise auf Kooperationen mit Claude Thornhill und Miles Davies ("Miles Ahead", "Porgy And Bess" usw.) schließen den Beitrag. Aber wie ist es, wenn Musiker in "rasanter Form" sind?

Vielleicht ist der Unterschied zwischen beiden Bänden, dass man sich im Jazz-Guide leichter "verlesen" kann. Die interessanten und nahezu durchweg gut geschriebenen Artikel schaffen es, Verbindungen aufzuzeigen zwischen Künstlern und Genres, geben Hinweise auf Verbindungen von Musikern zur Literatur, bieten schnelle Orientierung und versehen vor allem auch wieder die essenziellen Alben mit kurzen Hinweisen, warum gerade dieses Album wichtig für den Künstler ist oder noch besser: für den Hörer - denn um den geht es ja letztendlich.

Hier liegt denn auch die Stärke der Bände: Knappe, treffende Übersichten. Manchmal zu sehr am Zeitschriftenjournalismus angelehnt lassen die Artikel ab und an die nötige sachliche Distanz, wie sie einem Nachschlagwerk zum Lobe gereicht, vermissen. Dies führt zwar zu unterhaltsamen Minuten der Lektüre, bleibt aber des Öfteren in einem tratschenden Ton des Musikkolumnismus hängen. Dies ist zwar gewolltes Konzept, letztlich aber partiell belanglos und zu sehr in der Gegenwart verhaftet. Erreichte Absicht der Autoren und der Herausgeber bleibt aber: Eine kompetente Einführung zu einer Band oder einem Musiker zu geben, ohne dass man zu den falschen Hörbeispielen greift, von renommierten Musikjournalisten und -kritikern, von Fans und Apologeten verfasst. Da gelingt es einem mit ein paar "Handgriffen", sich einen Eindruck zu verschaffen. Der Nachteil der Bände verkehrt sich in ihren Vorteil und umgekehrt.

Was also bei den beiden Bänden besticht, ist das "Rough Guide"-Konzept. Ebenso wie es den Bänden zum Nachteil werden kann. Aber sei es, wie es will, und mag der eine oder andere auch in den Bänden nicht die gewünschten Informationen finden - sie sind ein sehr guter Einstieg in die Welt der Musik und ihre Geschichte, und sie eignen sich als Nachschlagewerk auf der Suche nach Band- und Musikerinformationen und damit auch als Ergänzung zu Büchern wie "All That Jazz" (Michael Jacobs). Hinzuweisen ist auf die guten Fotografien, die vor allem den Jazzband auszeichnen. Was die "Guides" nicht haben sind ausführliche Diskografien, dafür aber nehmen sich die Bände bei nahezu jedem Artikel die Freiheit, einzelne Alben zu empfehlen: Sehr hilfreich, denn wie viel überflüssige Musik hat man nicht schon gehört.

Titelbild

Ian Carr / Digby Fairweather / Brian Priestley (Hg.): Rough Guide Jazz. Der ultimative Führer zur Jazzmusik. 1800 Künstler und Bands von den Anfängen bis heute.
Übersetzt aus dem Englischen von Mirella Bauerle, Dieter Fuchs, Werner Voran und Ralf Siemers.
J. B. Metzler Verlag, Stuttgart 2004.
805 Seiten, 29,95 EUR.
ISBN-10: 347601892X

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Peter Buckley (Hg.): Rough Guide Rock. Der ultimative Führer zur Rockmusik. 1000 Künstler und Bands.
Übersetzt aus dem Englischen von Ralf Brunkow, Nicola Halschke, Dieter Fuchs u. a.
J. B. Metzler Verlag, Stuttgart 2004.
943 Seiten, 29,95 EUR.
ISBN-10: 3476018911

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