Zwischen "verbindlich" und "empfindlich"

Zum Briefwechsel von August Wilhelm Schlegel und Friedrich Schiller

Von Thomas NeumannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Neumann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Friedrich Schiller hatte 1795 sein Projekt "Die Horen" begonnen, von dem er sich - auch finanziell - Großes versprach. Er wollte Autoren gewinnen, die ihn bei diesem Projekt unterstützen sollten. Zu den Auserwählten gehörte August Wilhelm Schlegel. Einige Jahre später gab es vor allem aufgrund der Kritik von Friedrich Schlegel an den "Horen" keine Grundlage mehr für eine Zusammenarbeit. Die dazwischen liegende Zeitspanne - und noch etwas darüber hinaus - dokumentieren die 42 Briefe in der von Norbert Oellers herausgegebenen und detailliert kommentierten Edition. Man merkt der Publikation von Oellers die solide, kenntnisreiche und manchmal sogar entspannte Art des Umgangs mit der Schiller'schen Welt an - jahrelange Editionsarbeit im Zeichen Schillers tragen reichliche und gut bekömmliche Früchte. Die Ausstattung des Bandes ist ordentlich, gute Reproduktionen der Handschriften machen es sogar möglich, die Transkriptionen zu prüfen - was allerdings wohl kaum nötig sein dürfte. Besonders hervorzuheben ist: erfreulicherweise wurden für diese Ausgabe noch einmal die Handschriften kollationiert, neu transkribiert und dabei auch offensichtliche Fehler in der Schreibung im Druck belassen - und in den Anmerkungen kommentiert. Damit bietet die Ausgabe einen bisher so nicht greifbaren Text nach den Handschriften, der der Authentizität der originalen Texte näher kommt als jede vorherige Ausgabe.

Nun zu Schiller und Schlegel: Es sind kaum mehr als zwei Jahre, in denen man sich brieflich miteinander verständigt. Es ist vor allem eine geschäftliche Korrespondenz zwischen Literaten, die hier den Austausch von Information und gegenzeitigen Respektbezeugungen pflegen, um ein gemeinsames Ziel, den "Horen" zum Erfolg zu verhelfen.

Der Beginn des Briefwechsels ist geprägt von gegenseitiger Wertschätzung. Manchmal findet der Leser sogar den Widerschein einer leichten freundschaftlichen Vertraulichkeit zwischen beiden, wenn Schiller seinen Briefpartner mit "mein vortreflicher Freund" in dem Brief vom 6. Januar 1796 anspricht. Und Schlegel quittiert mit einem "herzlichen Dank für die freundschaftliche Güte" einen Brief im Dezember 1796. Aber bei allem gegenseitigen Versichern von floskelhaften Verbindlichkeiten, gibt es persönliche Hintergründe, die den Briefwechsel fast mehr bestimmen als unsere beiden Protagonisten. Auf der einen Seite sind es Schillers Rücksichtnahmen und Verbindlichkeiten Goethe gegenüber, auf der anderen ist es der vertraute Bruder Friedrich und die seit 1796 mit August Wilhelm Schlegel verheiratete Caroline, die das Verhältnis der beiden Briefschreiber durch ihre kritische Sicht auf die literarische Produktion Schillers und auf seine "Horen" beeinflussten. Hinzu kam noch die Freundschaft von Schlegel mit Gottfried August Bürger aus deren gemeinsamer Zeit in Göttingen, auf der der Schatten von Schillers vernichtender Rezension der Gedichte Bürgers aus dem Jahre 1791 lag.

Und es sind auch die Überlegungen, die Beziehung zu Goethe nicht zu gefährden, die die beiden Schlegel-Brüder in diplomatische Formulierungen verfallen lässt. Auf diese changierenden Bewegungen in den Äußerungen Schiller gegenüber verzichtet Friedrich Schlegel 1797, als er die literarische Praxis der "Horen" angreift und die zunehmende Anzahl an Übersetzungen als ein Indiz des Niederganges der Zeitschrift interpretiert und damit natürlich erheblich die Beziehung seines Bruders August Wilhelm zum Herausgeber der "Horen" belastet. Schiller sieht dann auch keinen anderen Weg, als sich von dem Mitstreiter zu trennen und ihn aus der Redaktion zu entfernen. Am 1. Juni 1797 schreibt er: "Ein Verhältniß, das durch eine natürliche Verbindung von Umständen unmöglich gemacht wird läßt sich mit dem beßten Willen nicht erhalten." Als Ursache nennt er das durch Friedrich bereitete "Mißvergnügen". Ist auch das Verhältnis in der Zusammenarbeit bei dem Projekt "Horen" getrübt, schreibt er doch noch im selben Monat an August Wilhelm bezüglich der Teilnahme an einem von Schiller herausgegebenen Almanach: "Mit der angenehmsten Erwartung sehe ich daher Ihrem Beitrag entgegen." Es war also nicht mit dem Rausschmiss aus der Redaktion der "Horen" erledigt, das Verhältnis zwischen den beiden Literaten. Aber der Briefwechsel wurde merklich spärlicher - was blieb, war die gegenseitige Wertschätzung der literarischen Erzeugnisse. Was die Beziehung mehr als nur getrübt hatte waren die eigentlich nur indirekt involvierten Personen - Goethe und Friedrich Schlegel.

In dem Brief vom 3. September 1797 schreibt August Wilhelm Schlegel etwas, was man auch nicht auf den Text von Friedrich Wilhelm Gotter beziehen könnte: "Hier ist das Übrige der Geisterinsel. Ich finde allerliebste Sachen darin - manchmal beynahe Wunder der Versification in den kurzen gereimten Zeilen; auch sehr artige Erfindungen, besonders die mit dem Korallenzählen. Doch scheint mit der Ton der Darstellung nicht immer ganz richtig gehalten; zu viel sentimentaler Ernst hier und da; und der liebe Gott, der einigemale vorkömmt, wäre aus einer lustigen Zauberwelt wohl besser weggeblieben."

Titelbild

Friedrich Schiller / August Wilhelm Schlegel: Der Briefwechsel. 1795-1801.
Herausgegeben von Norbert Oellers.
DuMont Buchverlag, Köln 2005.
244 Seiten, 29,90 EUR.
ISBN-10: 3832178945

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