"Schwarzer Humor für zwischendurch"

Susanne Henke serviert boshaften Lesern kleine Gemeinheiten in leicht bekömmlichen Portionen

Von Christina LangeRSS-Newsfeed neuer Artikel von Christina Lange

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der Titel dieser Kurzgeschichtensammlung lässt es bereits erahnen: Am Ende gibt es (in 13 von 15 Fällen) immer mindestens eine Leiche. Hinzu kommen jede Menge gewissenlose Karrieremenschen, rachsüchtige Ehefrauen, gelangweilte Hobbymörder, bis an die Grenze zum Wahnsinn gequälte Bürokollegen und übergangene Verlierertypen. Sicher, sowohl Figuren als auch Handlungsgefüge hat man meist schon mal irgendwo gesehen. Aber Spaß macht es trotzdem, wenn die vollkommen überdrehte Bürotischnachbarin in "Weihnachtsmann mit Nebenwirkung" bereits im Hochsommer beginnt, ihren Kollegen mit Christmas-Deko zu malträtieren und ihn schließlich binnen weniger Wochen zum Amokläufer macht durch das hartnäckige Abdudeln von besinnlichen Melodien. Auch die Erpressung durch die stets mit Nichtachtung gestrafte Sekretärin oder die Geschichte mit dem heißen Urlaubsflirt, den in Wahrheit die betrogene Gattin engagiert hat, unterhalten dank schwarzhumorigem und frischem Erzählstil ein weiteres Mal.

Susanne Henke redet dabei nicht um den heißen Brei herum, sondern kommt gleich zur Sache. Manche bissige Story ist kaum fünf Seiten lang, was oftmals an das Erzählen zynischer Witze erinnert. Weil dabei, wie eingangs erwähnt, der ein oder andere dran glauben muss, ist der Leser schon nahezu positiv überrascht, wenn sich die Schadenfreude mal nur auf ein zerrissenes Abendkleid bezieht. Auf die Dauer sind die kleinen Mord-und-Totschlag-Geschichten dann vielleicht doch zu simpel gestrickt, als dass sie längerfristig fesseln könnten. Das zumindest gilt für die schwächeren der Stories, wie etwa für "Sport ist Mord", wo schon der Titel durch ein abgenutztes Schlagwort Langeweile hervorruft. Wenn am Ende mal wieder von Krankenwagen und Totenschein die Rede ist, ist der Effekt der gehässigen Pointe rasch verbraucht. Am Ende wundert es dann auch niemanden mehr, wenn in der letzten Geschichte der Sammlung ein weiteres Mal der "Falsche" über Bord des exklusiven Luxusschiffes geht oder wenn innerhalb einer Redaktion die ewige Nummer Zwei den Chefredakteur meuchelt.

Einige der Geschichten fallen in dieser Sammlung durch mehr Innovation oder zumindest durch andere Erzählweise auf. Wenn Susanne Henke zum Beispiel den ersten Text "Doppelschlag" mit den Worten: "Die Sakeflasche ist leer. Der Pool nicht" schließt, bringt sie die Handlung der vorherigen knapp fünf Seiten in gekonnter Kürze auf den Punkt. An dieser Stelle wäre jedes weitere Wort verschwendet gewesen. In anderen ihrer Geschichten allerdings wüsste man dann vielleicht als Leser doch gerne mehr. So bleibt es beispielsweise unklar, warum der herzensgute Simon in "Freunde fürs Leben" auf einmal seinen alten Kumpel einfach in dem Eisloch ertrinken lässt, aus dem er ihn doch schon einmal gerettet hatte.

In den Geschichten "Ein todsicheres Gespür" und "Dein nächster Auftrag" gelingt es der Autorin, groteske Szenerien zu entwerfen, die den Leser gleichzeitig nachdenklich stimmen. Erstere thematisiert eine Nachrichtenwelt, in der die Meistbietenden ein alleiniges Anrecht auf die "Wahrheit" haben. "Dein nächster Auftrag" führt in aller Absurdität vor, wie man ein Arbeitslosenproblem am besten lösen kann: Nämlich, indem man dem Jobsuchenden eine "Stelle" im Gefängnis vermittelt. So erklärt sich die Hauptfigur in dieser Geschichte (mehr oder weniger freiwillig) dazu bereit, sich als Mörder auszugeben, um später nach Abbuße seiner Strafe von der Vermarktung "seiner" Straftat leben zu können. Wieder anders ist die vorletzte Geschichte "Für immer und ewig", die weniger komisch als morbid-romantisch ist.

Abschließend kann man sagen, dass die kleine Geschichtensammlung von Susanne Henke durchaus zur Unterhaltung beiträgt, wenn man sich selbst als "boshaften" Leser versteht. Wenn auch die eine oder andere Geschichte die Gesamtqualität der Sammlung herabsetzt, so gibt es auch immer wieder durchaus lohnenswerte Bosheiten in diesem Buch zu entdecken. Manch eine Story erinnert vielleicht sogar an ganz große schwarzhumoristische Erzähler wie Roald Dahl oder Edgar Allan Poe. Einem dauerhaften Vergleich mit ihnen kann Henke allerdings schon wegen ihres eher plakativen Sprachstils nicht standhalten. Doch das wäre wohl auch zu viel verlangt.

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Susanne Henke: Bissige Stories für boshafte Leser.
Books on Demand, Norderstedt 2005.
88 Seiten, 8,80 EUR.
ISBN-10: 3833421215

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