Zu dieser Ausgabe

„Schuldgefühl gegen meinen Vater: ich bin nun schon neun Jahre älter, als er geworden ist“, notierte Elias Canetti 1945. Der Literaturnobelpreisträger von 1981 überlebte seinen Vater, der am 8. Oktober 1912 im Alter von nur 30 Jahren verstarb, am Ende um satte 82 Jahre. Am 25. Juli 2005 wäre Elias Canetti 100 Jahre alt geworden, weswegen ihm die neue Ausgabe von literaturkritik.de besondere Aufmerksamkeit schenkt.

Mit dem Tod der Menschen wollte sich der Schriftsteller nicht abfinden: Warum genau er in seinen Texten immer wieder manisch dagegen anzuschreiben versuchte, ist eine der spannenden Fragen, denen in unseren Rezensionen neu edierter Canetti-Werke nachgegangen wird.

In Bulgarien als Sohn sephardisch-jüdischer Eltern geboren, die mit den Kindern zunächst Spanisch sprachen, unter sich aber Deutsch, war dem Schriftsteller die Rolle eines polyglotten Zeitzeugen des 20. Jahrhunderts gewissermaßen an der Wiege gesungen worden. Er lebte in vielen Ländern Europas und überlebte die nationalsozialistische Judenvernichtung in Großbritannien.

Bereits nach den Bücherverbrennungen der Nazis wurde ihm die Prophetie seines ersten und einzigen Romans „Die Blendung“ in gewisser Weise selbst unheimlich – ein Thema, dem Michael Rohrwasser in seinem neugierig machenden Essay genauer nachgeht.

Auch sonst gibt es natürlich wie immer viel zu empfehlen, einiges zu loben und – zu allererst! – viel zu kritisieren.

Die Ausgabe wird in den nächsten Tagen noch um einige weitere Beiträge ergänzt werden.

Viel Vergnügen beim Lesen wünscht:

Jan Süselbeck