Europistan

Günther Lachmann geißelt die "tödliche Toleranz" gegenüber moslemischen Fundamentalisten

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die Intoleranz deutscher Neonazis kostete in Solingen und anderswo etliche Muslime und Angehörige anderer Minderheiten das Leben. Die tödliche Intoleranz islamischer Fanatiker mordet weltweit unterschiedslos. Doch nicht nur Intoleranz kann tödlich sein, sondern auch ihr Gegenstück, die Toleranz, die in der Variante der "repressiven Toleranz" bereits von Herbert Marcuse aufgezeigt und beklagt worden ist. Die als Toleranz auftretende Indifferenz deutscher Multikultis und Kulturrelativisten etwa kann tödliche Folgen insbesondere für muslimische Frauen haben. Dann etwa, wenn sie sich dem, sei es religiös oder traditionell motivierten Diktat der sexistischen Kultur, aus der sie stammen, nicht länger unterwerfen wollen. Diese unter Umständen fatale und "allein auf Abgrenzung ausgerichtete" Form der deutschen Toleranz, die tatsächlich nichts weiter als eine "gefährliche, realitätsferne Ignoranz" sei, prangert der Journalist Günther Lachmann in seinem Buch über "die Muslime und unsere offene Gesellschaft" mit Verve an.

Dabei denkt er aber weniger daran, dass die als Toleranz firmierende Gleichgültigkeit für Musliminnen tödlich sein könnte. In erster Linie gilt seine Sorge vielmehr westlichen, europäischen, insbesondere deutschen Opfern muslimischer Fundamentalisten. Eine womöglich noch größere Gefahr für die offene Gesellschaft, als sie der islamistische Terror darstellt, erkennt Lachmann jedoch im "Euro-Islam", der mit gewaltlosen Mitteln die "Islamisierung der Moderne" durchsetzen wolle und nicht von seinem "universellen Anspruch" lassen werde, "der im Zweifel allen demokratisch gewählten Regierungen jede gesetzgeberische Legitimation und damit jede Anerkennung aberkennt", da das "göttliche Gesetz" der Schari'a über allem stehe. Diese Möglichkeit einer "friedliche[n] Eroberung" Europas würde zwar zunächst "wenig bedrohlich" klingen, könne aber letztendlich "radikale gesellschaftspolitische Veränderungen" bedeuten, falls es den islamischen Predigern gelänge, ihre Vorstellungen durchzusetzen.

"Schwere Fehler", die seit den 1960er Jahren zur Herausbildung türkischer Gettos in deutschen Großstädte und der dortigen "Verachtung für die westliche Gesellschaft aus der Haltung der Gescheiterten heraus" führten, macht Lachmann jedoch nicht nur auf Seiten der deutschen Toleranzkultur aus, sondern ebenso auf Seiten der ImmigrantInnen. Zu gewinnen sei der "Kampf gegen die subversiven Elemente im Islam" nur in einer gemeinsamen Anstrengungen mit den Muslimen. Dieses "echte Miteinander" erfordere auf deutscher Seite zunächst einmal eine "kritische Toleranz", die sich mit den "muslimischen Mitbürgern" auseinander zu setzen habe. Dies bedeute für die "Mehrheitsgesellschaft" zwar, "das durch Religion und Kultur begründete Anderssein der Minderheit" anzuerkennen, aber auch ihm zugleich "Grenzen" zu setzen, indem man "deutliche Anpassungen an den westlichen Lebensstil" und die "Anerkennung der universellen Menschenrechte" verlange. Eine von Lachmanns konkreten Forderungen an die Politik ist, dass in den Moscheen nur noch auf Deutsch gepredigt werde dürfe, und zwar von Imamen, die an deutschen Universitäten ausgebildet wurden. Ebenso solle der islamische Religionsunterricht nur von an deutschen Universitäten ausgebildeten Lehrern erteilt werde. Um die islamischen Gettos in deutschen Städten auf lange Sicht aufzulösen, fordert er ähnlich wie Ayaan Hirsi Ali, Sozialwohnungen künftig so zu vergeben, "dass ein gutes Mischungsverhältnis zwischen Muslimen und Nichtmuslimen entsteht". An die MuslimInnen wiederum richtet der Autor die dringliche Forderung, eine Instanz zu schaffen, die wirklich eine "breite Mehrheit der Muslime" in Deutschland vertritt. Zudem müsse es Sache aller Gläubigen sein, "selbst jede Form von Extremismus und Radikalismus unter ihren Glaubensbrüdern zu bekämpfen". Dass Lachmanns Formulierung die Glaubensschwestern ausschließt, dürfte kaum darauf zurückzuführen sein, dass er sie extremistischem Gedankengut gegenüber für weniger anfällig hielte, sondern vielmehr unbewusst sexistischer Lokution anzulasten sein.

So begründet Lachmanns Kritik am westlichen Kulturrelativismus und am islamischen Fundamentalismus auch sein mögen - es bleibt doch einiges zu monieren. So etwa rassisierende Zuschreibungen, die beispielsweise Mosambikaner als "von Natur aus lebensfrohe Menschen" charakterisieren. Derlei wird nicht nur bei AfrikanerInnen auf berechtigten Unmut stoßen. Ebenso werden nicht nur Feministinnen an Lachmanns kaum verhohlener Bewunderung des Machismos türkischer Heranwachsender Anstoß nehmen. "Die Jungen stolzieren wie die Gockel umher", schwärmt der Autor, "und wissen gar nicht wohin mit ihrer durchbrechenden Männlichkeit. Da lassen sie die deutschen Jungen wirklich blass aussehen." Und schließlich wird es durchaus nicht allgemein Gefallen finden, dass Lachmann es sich bei aller Kritik an islamischen Versuchen zur Eroberung Europas nicht nehmen lässt, im letzten Absatz das Hohe Lied auf eine andere nahöstliche Religion anzustimmen. Diese allerdings hat ihren Siegeszug über den Kontinent bereits vor annähernd zweitausend Jahren angetreten und ihn im Laufe der Jahrhunderte so ziemlich bis in den letzten Winkel erobert: das Christentum.

Titelbild

Günther Lachmann: Tödliche Toleranz. Die Muslime und unsere offene Gesellschaft.
Mit dem Text "Muslimische Frauen, fordert Eure Rechte ein!" von Ayaan Hirsi Ali.
Piper Verlag, München 2005.
296 Seiten, 14,00 EUR.
ISBN-10: 3492046991

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