Die Angst des Malers vorm Akt

Christina Elmerfeld-Böhners Frauenbilder der Präraffaeliten

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Gekackt ist nicht gemalt", grantelte schon Karl Marx und hatte die Präraffaeliten im Auge. Doch dürfte das Verdikt des kaum als Kunstkenner ausgewiesenen Revolutionärs sicher nicht die Ursache dafür sein, dass deren Werken hierzulande wenig Beachtung geschenkt wurde. Nur gelegentlich sah man sie in deutschen Museen, nahm sich eine Monographie ihrer an oder erschien gar ein Bildband. Das hat sich in gründlich geändert. Nicht nur, dass in den letzten Jahren gleich zwei Ausstellungen stattfanden, die zahlreiche Werke präraffaelitischer Künstler präsentierten: "Viktorianische Malerei" 1993 in München und "Der Symbolismus in England" 1998 in Hamburg. Beide Kataloge zieren Frauenportraits Dante Gabriel Rossettis. Zudem schmücken seit etlichen Jahren die Frauendarstellungen der Präraffaeliten zahlreiche Bucheinbände überwiegend der Massenliteratur.

Eine feministische und gender-theoretische Analyse der Präsentation von Weiblichkeit in der präraffaelitischen Malerei steht allerdings - in Deutschland zumindest - noch aus. Sie zu leisten, scheint Christina Elmerfeldt-Böhners Buch "Das Weibliche in Werk und Leben der Präraffaeliten" zu versprechen. Doch stellt sich schnell heraus, dass es sich um nicht viel mehr handelt, als eine dicht gedrängte Kompilation der meist englischen Sekundärschriftentums, dem gegenüber sich die Autorin nur wenig quellenkritisch verhält.

Mit einer umfassenden Erklärung des Weiblichkeitsbildes der Präraffaeliten ist sie schnell bei der Hand. "Angst" ist das alles erklärende Zauberwort. Die Angst der Künstler nämlich vor der Sexualität, insbesondere der weiblichen. Nun sollen die psychischen Deformationen der Künstler beileibe nicht bestritten werden, auch nicht, dass sie sich in ihren Werken niederschlägt. Doch Elmerfeldt-Böhners kruden psychoanalytischen Versuche sind wahrlich wenig erhellend. Aber dafür genießt die Autorin das Privileg der intimsten Kenntnis des Innenlebens der Maler. So weiß sie genau, wann Rossetti "sein Sexualleben ungehemmt und ohne Schuldgefühle ausleben konnte". Nur bei einer Prostituierten nämlich. Über diese fast schon Geheimwissen zu nennende Kenntnis hinaus mangelt es dem Buch auch nicht an gewagtesten Thesen: Ebenderselbe Rossetti etwa, so die Autorin, unternahm seinen Selbstmordversuch, um "sein späteres Verhältnis zu J. Morris zu verharmlosen". Jane Morris war nach dem Tode Elizabeth Sidalls Rossettis bevorzugtes Modell und mit seinem Freund und präraffaelitischen Mitstreiter William Morris verheiratet.

Die eher raren Interpretationen einzelner Bilder lassen souverän alles außer Acht, was dem anvisierten Erkenntnisziel partout nicht entsprechen will. So zeigt "Astarte Syriaca", Rossettis letztes Bild, der Autorin zufolge eine Frau, die "vollkommen das Objekt männlicher Lust geworden" sei, ohne dass sich Elberfeldt-Böhner auch nur für einen Moment von dem Umstand irre machen lässt, dass der Göttin der Gürtel der Venus beigegeben ist, Insignum weiblicher Macht über Männer. Doch gerade auf ihn, der Brüste und Geschlecht umschlingt, macht die Göttin mit deiktischem Fingerzeig aufmerksam.

Bei alledem ist das Buch der gebürtigen Schwedin in einem derart schwerlesbaren, oft unbeholfenen Deutsch geschrieben, dass der Sinn der Sätze trotz allem interpretatorischen Bemühen der LeserIn oft dunkel bleibt.

Titelbild

Christina Elmerfeldt-Böhner: Das Weibliche im Leben und Werk der Präraffeliten.
Fouqué Literatur Verlag, Egelsbach 1999.
120 Seiten, 9,60 EUR.
ISBN-10: 3826744373

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