Flotter Stricher

Udo Lindenberg mimt den Maler

Von Frank MüllerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Frank Müller

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Die Ideen zu meinen Motiven kommen mir überall. Es malt einfach durch mich hindurch", erzählt Udo Lindenberg, der dieses Jahr seinen 59. Geburtstag feierte. Nur eine Bedingung scheint es zu geben, damit der "Panik-Geist" Lindenbergs Bilder durchweht: Draußen muss es dunkel sein.

Doch alles der Reihe nach. Das Unglück begann 1999: Anlässlich von Goethes 250. Geburtstag durfte Udo Lindenberg einen "Faust"-Zyklus für eine Ausstellung in den Weimarer Kunstsammlungen beisteuern. Für die Initiative "Rock gegen Rechte Gewalt" folgte wenig später die Plakatreihe "Die Pimmelköppe", gemalt mit Blut und Erde. Der Zyklus "Die zehn Gebote" und 300 Meter bemalte Eisenbahnwaggons markieren weitere Stationen, die die wundersame Metamorphose des Sängers Lindenberg zum Maler Lindenberg vorantrieben. Lindenberg wurde mit anderen Worten in einer Weise hofiert, dass sich die Leinwände bogen.

Vielleicht ist der Grund für die überraschende Ausdehnung des Metiers auch in den leicht zu Kopf steigenden "Likörellen" zu suchen. So heißen nämlich die mit Blue Curacao, Roter Grenadine, Banane Grün, Eierlikör, Campari und Magenbitter kolorierten Zeichnungen, auf die der findige Geschäftsmann Lindenberg das weltweite Patent hält. Wie anders ist es zu erklären, dass mit dem "Lindenwerk" im Verlag Schwarzkopf & Schwarzkopf nun eine Sammlung von Lindenberg-Zeichnungen erscheint, deren aufwändige Inszenierung in grandiosem Missverhältnis zur eher bescheidenen Qualität des Inhalts steht?

Die Motive sind an einer Hand abzuzählen: Suff, Sex, Musik und natürlich die bösen Nazis. Nicht zu vergessen den Künstler selbst, mit tief ins Gesicht gezogenem Hut und dunkler Brille. Diese kaum abendfüllende Vorstellung scheint auch der Grund zu sein, warum viele der Zeichnungen nicht ohne erläuternden Text auskommen. Erst der Kommentar erhebt das Gekritzel in den Rang eines zweitklassigen Cartoons. Beim Betrachter lockt dies allerdings ein eher gequältes Lächeln hervor.

Beispiele gefällig? Bitte sehr: Der auf dem Glas sitzende Vogel ist eine "Schnapsdrossel". Haha. Eine barbusige Polizistin hält eine Kelle mit der Aufschrift "Blasen" hoch. Hoho. Ein Kiffer schreibt - was schon? - eine "highlige Schrift". Huhu.

Aber der eigentliche Brüller kommt erst ein paar Seiten später. Hier sieht man eine Zeichnung mit einem Federvieh. "Einmal vögeln bitte", steht im Text daneben. Auch der abgedroschene Sponti-Spruch feiert im "Lindenwerk" fröhliche Urständ'. Er ergänzt die flotte Linienführung perfekt: "Realität ist nur eine Illusion, die sich durch den Mangel an Alkohol einstellt." Mehr oder weniger beschwippst geht es im ganzen "Lindenwerk" zu.

Bleibt die Frage: Wozu das alles? Die These von der universalen Begabung des Künstlers, der nicht nur musizieren, texten und singen, sondern wie im vorliegenden Fall auch noch malen kann, und der sich deswegen medial gleich auch noch zweit- und drittverwerten lässt, beantwortet die Frage nur zur Hälfte. Den anderen Teil liefert ausgerechnet das "Manager Magazin" nach.

Unter der Verwaltung der renommierten Privatbank Lampe, so heißt es in der Ausgabe vom Juni 2005, habe das Vermögen des Deutschrockers nicht unerheblich gelitten; inzwischen habe man sich jedoch verglichen. Die Antwort auf die oben formulierte Frage also lautet Kohle, Asche, Mäuse oder wie sonst noch man die Aufwandsentschädigung nennen will, die sich Lindenberg für sein Universalkünstlertum ganz easy einsteckt.

Wie der Singsang gegen Spießertum und verlogene Kleinbürgerlichkeit, so sind auch Lindenbergs auf den ersten Blick harmlos erscheinende Bildchen Teil einer gut geschmierten Vermarktungsmaschinerie, die die einstigen Ideale hinterrücks kielholt. Der Meister selbst wird solche Einwände mit demselben viersilbigen Seditativum vom Tisch wischen, das ihm schon zu weniger korrumpierten Zeiten unerreicht lässig über die Lippen ging: keine Panik.

Titelbild

Udo Lindenberg: Das Lindenwerk. Malerei in Panik-Colour mit ausgewählten Songtexten.
Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag, Berlin 2005.
288 Seiten, 49,90 EUR.
ISBN-10: 3896026186

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