Großer Trost
Kurze Rede auf F. K. Waechter bei der Trauerfeier am 23. September 2005
Von F. W. Bernstein
Liebe Nole, liebe Angehörige, liebe Freunde,
Fritz Waechter ist nun nicht mehr sterblich. In Bild und Text hat er immer wieder mit diesem Großmotiv der Kunst, dem Tod, gespielt. Er hat ihn durch Komik gebannt und mit der Allmacht des Zeichners klein gekriegt, den Knochenkarl, den Boandlkramer, den Tannewetzel, zum Beispiel in dem Cartoon "Tod endlich kleingekriegt!" Auf dem Siegerpodest steht Freund Hein, der Depp, nur auf Platz 3. Auch Manfred Helmes zeigt es ihm und schmeißt ihn raus:
"...Mein Bier aussaufen, meine Haare abmähen -
das macht man nicht mit einem Manfred Helmes. Da ist die Tür..."
Wie es im Ernstfall zugeht - wollen wir es wirklich wissen?
Ach lasst die barocken Grabsteine dröhnen:
"Was ihr seid, wir sind's gewesen - was wir sind, ihr werdet's sein!"
Dat weit we nu! Man will uns klein kriegen? Das macht man nicht auf einem F. K. Waechter. Dagegen hat er schon 1987 angeträumt: Er träumt schon im Oktoberheft "Titanic" 1987 sein "Stilles Blatt": sein Grabstein. Darunter:
"Ich lag in meinem Grab und weinte vor Glück und sog den Duft der feuchten Erde ein und sah den Mädchen in ihren dunklen Pluderhosen nach und glaubte, eine gut zu kennen aus meiner Zeit in Mölln. Sie wohnte in der Bismarckstraße und hatte damals lange blonde Haare, und einmal haben wir im dunklen Hausflur geknutscht, weil sie mich offenbar für Manfred Holthoff hielt."
Wir sprachen einmal über einen amerikanischen Fotografen, der über Jahrzehnte hinweg jedes Jahr seine Geschwister fotografiert, die immer und alle sehr ernst mit großen Augen starr, unbewegt, feierlich in die Kamera blicken - in eine Großbild-Plattenkamera, ein Kasten auf Stativ.
"Sie blicken dem Tod ins Objektiv", sagte Fritz. Und was tut er? Er soll ein letztes Skizzenheft angefangen haben, darin ein paar Tage vor seinem Tod ein Selbstporträt, im dunkelblauen Pyjama mit den weißen Karos.
Darunter schreibt er: "kleinkariertes Sterben".
Die schönsten Szenen für die Kunst des Sterbens finden wir ausgerechnet in seinen Kinderbüchern. Der "alberne Hans" ist in Diensten des "steinalten Herrn". Der hat nur noch einen Wunsch:
"Ein Pferd / Ich will auf einem schönen Pferd ins Reich der Toten reiten /
wie ein feiner Herr..."
Der alberne Hans schafft ihm das schönste Pferd. Der steinalte Herr:
"Ich reit' auf der Stelle nach drüben / und bin ein geachteter Mann."
...schwang sich aufs Pferd und ritt wie ein König auf immer davon...
Die Glücklichen, deren Abgang klar geht. Auch der "rote Wolf" weiß, wie und wo alles zu enden hat.
Im Melodram von 1998 wird ein Hündchen in Russland von Wölfen großgezogen und endet glücklich bei Olga. Am Ende stürzt er sich in die Wolfsschlucht:
"...Dann flog ich zum Vater aller Wölfe. Mein Leben zog noch einmal an mir vorbei (in allen Bildern dieses Bilderbuches) und ich freute mich an meinem langen, wunderbaren und reichen Leben..."
Er hat noch mehr solche poetischen Verklärungen und ich bin noch kein so ein harter Kerl wie der, den der Tod übern See rudert und der ruft:
"Egal wohin, Hauptsache, es ist was los."
Wenn aber Würde und Komik sich am Ende in einem Glücksmoment verbinden, ist der Trost in Waechters Kunst groß. Wir heben ab mit dem Kind aus der "Reise von 1978", das am Ende alleingelassen auf einem Berg in großen Bildern erlöst wird:
"Da sehe ich die herrliche Stadt / vom höchsten Turm ruft ein Wächter meinen Namen / ein Luftschiff kommt, mich zu holen."
Trostlos wär's ohne solche Poesien.
Fritz - Danke, dass Du sie für uns bereithältst.