Gleich geht's los!

Die Pardon-Langspielplatte aus den 60er Jahren "Heinrich Lübke redet für Deutschland" ist als CD wieder verfügbar

Von H.-Georg LützenkirchenRSS-Newsfeed neuer Artikel von H.-Georg Lützenkirchen

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Es ist ein Dokument aus den Jugendtagen dieser Republik. In zweifacher Hinsicht: denn die CD "equal goes it loose" dokumentiert nicht nur einige der kuriosen rhetorischen Peinlichkeiten des damaligen Bundespräsidenten Heinrich Lübke, sie ist selber ein Zeitdokument. Es war die Satire-Zeitschrift "Pardon", die Mitte der 60er Jahre die Langspielplatte "Heinrich Lübke redet für Deutschland" herausgab. Dieses Kultobjekt liegt nun auf CD neuerlich vor.

Heinrich Lübke war der zweite Präsident der Bundesrepublik. 1959 wurde er zum Nachfolger von Theodor Heuss gewählt und blieb im Amt bis 1969. Zwei Dinge sind aus seiner Amtszeit in Erinnerung geblieben: Zum einen stritt man eine Zeit lang um Verstrickungen des 1894 geborenen Sauerländers mit dem Naziregime. Als Vermessungsingenieur war er Mitarbeiter einer Firma, die an den Planungen und Konstruktionen von Speers Rüstungsprogramm mit Zwangsarbeitern beteiligt war. Zum anderen aber waren es die berühmten rhetorischen Absonderlichkeiten, mit denen Lübke vor allem im Verlauf seiner zweiten Amtszeit auffiel. Auslandsreisen des Präsidenten gerieten zu wahren Risikotouren. Zu rechnen war mit dem Schlimmsten, wenn etwa der Präsident der Bundesrepublik Deutschland in Tananarive, der damals so genannten Hauptstadt Madagaskars, seine Begrüßung des Präsidentenehepaars der Insel begann mit dem Satz: "Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Frau Tananarive!" Nicht belegt freilich ist eine andere gern zitierte Fehlleistung dieser Afrikareise aus dem Jahre 1962: "Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Neger".

Mit boshafter Ironie schneiden die Pardon-Leute Lübke-Redepassagen in ihre pfiffig als "Verteidigungsrede" des Präsidenten getarnte Hörcollage: Macht Schluss mit der Verhöhnung des Präsidenten, fordern sie. Lasst endlich das unhöfliche Spottgelächter!, lautet die Botschaft, denn: Jedes Volk hat den Präsidenten, den es verdient. Deshalb auch zitiert man genüsslich aus einer Broschüre der Bundeszentrale für politische Bildung über den Bundespräsidenten: "Kein Manuskript ist ihm gut genug. Es gehört zu seinem Charakterbild, das er sich eher auf das Glatteis der freien Rede begibt, als ein Manuskript abzulesen, das ihn nicht restlos überzeugt hat."

Und so holpert und stolpert Lübke durch seine Reden. Dazu passt gut die wüste Fassung des Deutschlandliedes, die die CD einleitet. Sie wird vorgetragen von einer mexikanischen Militärkapelle, die zur Begrüßung des Bundespräsidenten bei einem Staatsbesuch angetreten war. Auslandsreisen blieben ein Risiko, obwohl der "ungewöhnlich scharfe Beobachter" zuweilen auch wichtige Details vermerkte, wie beispielsweise anlässlich einer Reise nach Teheran, über die er in Hamburg berichtete: "... da habe ich gleich gesehen: Die Leute waren alle sauber gewaschen."

Hübsches aber auch aus deutschen Landen: "Wir wollen uns freuen hier gewesen zu sein, wo wir, wenn das Wetter nicht ganz ausreicht, die Gartenschau im Saale miterleben" teilte er den Besuchern einer Bundesgartenschau mit. Vor Bundeswehrsoldaten gestand er: "Sie können sich denken, dass ich lange nicht mehr in der Schule war. Das geistige Niveau ist natürlich gleichermaßen gesunken".

Das mag auch solche Aussetzer erklären, wie den in Helmstedt anläßlich einer Rede zum 17. Juni, als er vergaß, wo er gerade war: "Liebe Mitbürger, liebe Jugend", begann es noch angemessen, "Wenn ich dieses Jahr hier zum 17. Juni in ... äh ..." - in die Pause hinein flüstert ihm jemand zu: Helmstedt - "... in Helmstedt spreche, dann ist das mein eigener Wunsch gewesen".

Erlebnisreich auch eine Rede, die wohl dahin zielte, den allgemeinen Fischverzehr zu fördern. Oder waren es Tiefkühltruhen? Haben wir ein Einsehen und verabschieden den Bundespräsidenten: "Mit diesen paar Worten möchte ich aufhören. Es würde für mich ganz gut sein, wenn ich für einige Stunden ins Bett käme". Gute Nacht!

Titelbild

equal goes it loose. Heinrich Lübke redet für Deutschland. CD.
Verlag Antje Kunstmann, München 2005.
36 Minuten, 14,90 EUR.
ISBN-10: 3888974119

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch