Gehobener Schatz

Das ultimative rückläufige Wörterbuch der deutschen Sprache

Von Ute EisingerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Ute Eisinger

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Eine "innovative Kombination aus Wortfamilien- und rückläufigem Wörterbuch" bezeichnet der Verlag dieses gewichtige Verzeichnis aller im Duden und wenigen weiteren Standardwörterbüchern befindlichen Wörter - rückwärts-alphabetisch angeordnet. Solche Wörterbücher gibt es für praktisch jede linguistisch beforschte Sprache, für das rudimentär bekannte Gotisch und das ausgestorbene Mittelhochdeutsch ebenso wie für Russisch und exotische Kleinsprachen. Darin sind Wortlisten ohne Erklärungen von A bis Z angeordnet - allerdings nicht nach ihrem ersten, sondern dem letzten Buchstaben. So lautet der erste Eintrag "Chaldäa", gefolgt von "Judäa" - bis zu den letzten beiden Wörtern, "Fizz" und "Ginfizz".

Das rückläufige Wörterbuch der deutschen Sprache, kurz RWDS, ist vor allem für jene ein Standardwerk, die linguistisch forschen, besonders zum Thema Wortbildung. Die Fähigkeit des Systems, zu dem unsere Sprache ausgebildet wurde, erweist sie mit Hilfe solcher Grundlagen als überaus lebendig, kombinationsfreudig und ständig erfinderisch. Auch Reimeschmiede und darüber hinaus alle Schreibenden oder sich gern abwechslungsreich sprachlich Artikulierenden verwenden gern das RWDS, denn es stellt eine Fundgrube unerwarteter Wort-Schätze dar.

Seltsam, dass derartige Schatz-Bücher sich selten Einheimischen verdanken: Wie das "Lexikon untergegangener Wörter" von dem Ägypter Nabil Osman verfasst worden ist, hat den Inhalt dieses Kompendiums der koreanische Germanist Duk Ho Lee gesammelt und geordnet. Freilich auf Grundlage von Vorläufern, die emsige Linguisten der DDR vor Erfindung des Scanners und textverarbeiterischer Ordnungsverfahren erstellt hatten.

Doch die Sortiermaschine hätte nicht geschafft, was im vorliegenden ultimativen rückläufigen Wörterbuch der deutschen Sprache unternommen worden ist: Die lexikologische und -grafische Weiterentwicklung, die Lee vorgenommen hat, erhöht die Brauchbarkeit des RWDS um ein Vielfaches: Zusammensetzungen und Ableitungen, die beiden wichtigsten Muster bei der Wortbildung im Deutschen, werden bei ihm nicht stur mechanisch in die Wortlisten aufgenommen, sondern gesondert gruppiert und drucktechnisch herausgehoben. Anstelle einer mechanisch von hinten aufgezäumten Liste findet eine auf ihre Basisstrukturen abzielende Inventarisierung des deutschen Wortschatzes statt.

Der zweisinnig systematisierten rückläufigen Auflistung von 270.000 Vokabeln stellt der Herausgeber übersichtlich Tipps und Erklärungen zur Benutzung voran. So wird es ein Leichtes, akademisch innerhalb sprachlicher Strukturen zu analysieren oder - zweckfrei philologisch - seinen Wortschatz zu bereichern.

Titelbild

Duk Ho Lee: Rückläufiges Wörterbuch der deutschen Sprache.
De Gruyter, Berlin 2005.
1229 Seiten, 99,99 EUR.
ISBN-10: 3110181975

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