Zweifelhafter Nutzen

Edmund Schalkowski versucht zu erklären, wie man eine gute Kunstkritik schreibt

Von Jan SüselbeckRSS-Newsfeed neuer Artikel von Jan Süselbeck

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Wer publizieren will, muss schreiben können. Das Genre der Literaturkritik bietet nicht nur Literaturwissenschaftlern die Möglichkeit, die fachlichen und literarischen Interessen praktisch anzuwenden und eigene Texte einem größeren Publikum zugänglich zu machen, als es wissenschaftlichen Aufsätzen je vergönnt sein würde.

Besonders an deutschen Universitäten wird davon jedoch im Studium eher wenig erzählt - wenn überhaupt. Die Folge ist, dass viele (angehende) Literaturwissenschaftler ihre publizistischen Ambitionen sehr bald mit der Entwicklung eines unlesbaren Seminarjargons verwechseln, den sie oftmals selbst kaum noch verstehen.

Edmund Schalkowski, ehemaliger Redakteur bei verschiedenen Tageszeitungen und Dozent am Deutschen Institut für publizistische Bildungsarbeit in Hagen, hat nun unter dem Titel "Rezension und Kritik" eine jener praktischen Schreibanleitungen vorgelegt, die mittlerweile fast schon wie am Fließband verlegt werden, um die erkannte Marktlücke zu füllen.

Diesen "Schreibschulen" im Taschenbuchformat ist allerdings paradoxerweise oft schnell anzumerken, dass erstaunlich viele ihrer fachmännisch auftrumpfenden Verfasser selbst überhaupt nicht schreiben können. Ihre gelangweilten Leser, die aufgrund dieser Tatsache schon nach wenigen Seiten Lektüre in einen tiefen, traumlosen Schlaf fallen, lernen hier - bis auf die dröge Rekapitulation hinlänglich bekannter Binsenweisheiten - meist nichts, was ihnen in irgend einer Weise weiter helfen könnte.

Schalkowskis Buch hat jedoch laut Klappentext den Vorzug, einen "umfangreichen Praxisteil" zu beinhalten, in dem "namhafte Kritiker aus den Genres Theater, Literatur, Musik, Tanz, Kunst, Film, Fotografie, Architektur und Design" zu erklären versuchen dürfen, wie sie selbst ihre vielgelesenen Artikel schreiben.

Da fachsimpelt dann etwa Jens Jessen, Ressortleiter des "Zeit"-Feuilletons, über literaturwissenschaftliche und literarische Tricks, die jeder Kritiker auf dem Kasten haben sollte, um in seinen Argumentationen "elegant zu mogeln" und "sein Publikum zu unterhalten". Der Rezensent tritt nämlich nach Jessens Dafürhalten geradezu "als Akrobat vor das Publikum und gibt zu verstehen, dass er eigentlich besser turnen kann als der Autor des rezensierten Buchs". Diese ironische Beobachtung gipfelt in Jessens burleskem Diktum: "In jeder Hinsicht sitzen Literat und Literaturkritiker im gleichen Boot [...]; nur dass sie in unterschiedliche Richtungen rudern".

Ob derartige Hinweise die Anfänger dazu bringen, enthusiasmiert das nächste Word-Dokument zu öffnen und umgehend eine eigene Literaturkritik zu verfassen, muss allerdings dahingestellt bleiben. Dringender noch stellt sich diese kritische Frage außerdem angesichts von Schalkowskis eigener Einführung. Auf etwas über 100 Seiten holt der Autor in seinen Erläuterungen hier nämlich erst einmal so weit aus, als wolle er nicht nur das Schreiben, sondern gleich das gesamte Wesen der menschlichen Kommunikation von Grund auf in knappen Sätzen erläutern. "Was heißt Aussprechen?", wird da in einer bedeutungsschwanger anmutenden Überschrift gefragt, und: "Was heißt Ausdrücken?".

Schalkowski tappt damit in die typische Praxisbuch-Falle und kommt mit seinen tiefsinnigen Ausführungen einfach nicht zu Potte. Zumal seinen Erläuterungen eine ernüchternde Trockenheit eigen ist, die als angebliche Inspiration für das Verfassen spannender Texte dann doch eher kontraproduktiv wirken dürfte.

Wäre nicht der so genannte Praxisteil, der dem Leser zumindest einige interessante Einblicke in das Selbstverständnis renommierter Redakteure führender Tageszeitungen erlaubt, so müsste man das Buch schon nach wenigen Seiten entnervt zuklappen. So aber blättert man besser gleich nach hinten vor, um wenigstens dort einige Spezialistenmeinungen kennenzulernen, deren Lektüre sich im Einzelfall lohnt.

Wirklich Schreiben lernt man durch all dies natürlich noch lange nicht. Das muss man am Ende eben doch einfach selbst üben, um die eigenen Stärken und Schwächen praktisch zu ergründen. Und: Bevor man allzuviel Zeit mit dem Studium zweifelhafter Schreibanleitungen verplempert, sollte man besser gleich das alltägliche Feuilleton verfolgen. Da steht ja schon alles drin, aus erster Hand.


Titelbild

Edmund Schalkowski: Rezension und Kritik.
UVK Verlagsgesellschaft, Konstanz 2005.
316 Seiten, 24,90 EUR.
ISBN-10: 3896693417

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