Die Dülmener Karnevalsprinzessin comes home

'Unsere' Franka Potente war im evil empire

Von Fabian KettnerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Fabian Kettner

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die Sicht der Deutschen auf Hollywood ist von Bewunderung, Neid und Unterlegenheitsgefühlen geprägt. Wann immer einer der deutschen Schauspieler es dorthin schafft, zeigt man es stolz vor: 'wir können mithalten, wir können es der Welt zeigen'. Auch kleinste Rollen und sonstige Beiträge zu US-amerikanischen Filmproduktionen werden hochgejubelt, aber ebenso wird bei deutschen Filmen, wann immer einer erfolgreich ist, und bei jeder Verleihung eines größeren deutschen Filmpreises beschworen, dass man die Konkurrenz der USA nicht zu fürchten habe. Angesichts der Umsatzzahlen ein Indiz heftigen Realitätsverlusts, aber das eigenwillige Verhältnis zur Realität ist es eben, was das antiamerikanische Ressentiment generell ausmacht. Geht man von Babelsberg nach Hollywood, schwingen immer auch leichte Verratsvorwürfe mit. Als Franka Potente nach Hollywood wechselte, musste sie sich vom "Focus" fragen lassen, ob ihr Deutschland denn "nicht groß genug" sei. Drüben spielte sie in drei größeren Filmen mit. Doch das Kind, dem seine Heimat nicht genügte, kehrte zurück. Auch wenn sie damit die Hiergebliebenen in ihrer Meinung bestätigt, dass es hier am schönsten sei; und auch wenn sie über die Zeit in Hollywood ein Buch herausbrachte, in welchem sie den Hiergebliebenen das über die USA sagt, was jene immer schon wussten, aber immer wieder bestätigt haben möchten; also auch wenn "das Mädchen aus Dülmen" "alles richtig gemacht hat", wie die "Berliner Morgenpost" weiß, nämlich "sich vom Hollywood-Glamour nicht beeindrucken zu lassen". Potente war, so weiß "Die Welt", "ein Kind von Elvis und Coca Cola, das sich seine kulturelle Identität importierte" - anstatt die heimische nationale anzunehmen, versteht sich - "und so spukte auch in ihren Träumen die Stadt der Engel als Gipfel, den es zu erklimmen gelte." Die Kinder haben fremdmanipulierte Flausen im Kopf! Sie wollen nicht auf uns hören - und das haben sie davon: "Doch Los Angeles, einst eine Sonne, um die viele Möchtegern-Gestirne kreisten, ist erkaltet. Der Glamour hat sich verzogen. Zurück blieben jene, die unverdrossen ihrer minimalen Chance auf Ruhm hinterher jagen, deren Preis jedoch Entwurzelung, Selbstkasteiung und Erniedrigung ist." Das weiß Potente inzwischen auch.

Nun ist sie also wieder hier und ist gleich in die ideelle Mitte des neuen Deutschlands gezogen, in die Neue Mitte, für die sie und ihresgleichen Identifikationsfiguren sein mögen. In einem Verlag, der auf Besinnliches spezialisiert ist, haben sie und ihr guter Freund und Schauspielerkollege Max Urlacher einen Briefwechsel aus der Zeit von August 2002 bis Juli 2003 veröffentlicht. Das Zitat von Alexander von Humboldt, das sie vorangestellt haben - "Die gefährlichste Weltanschauung ist die Weltanschauung der Leute, die die Welt nie angeschaut haben" - trifft auf sie selbst zu und auf ihre Generation der Globetrotter, die Länder-Besichtigen mit Erfahrungen-Machen verwechseln. Potente hat die USA nicht angeschaut. Anders als der Amerikamüde aus Ferdinand Kürnbergers gleichnamigem Roman von 1855, einem Stammbuch des deutschen Antiamerikanismus, hatte Potente vorher kein positives USA-Bild, welches erst noch desillusioniert werden musste. Von Anfang bis Ende "fühlt sich alles fremd und fern von mir an." Ständig herrscht Apathie und Depression, manchmal "heult" sie, meistens "weint" sie aber nur.

Dies wird verstärkt durch Minderwertigkeitskomplexe in Sachen Attraktivität. Unablässig sieht sie "unnatürlich pralle Brüste" um sich, in einem Gesicht "eine Reihe wahnsinnig weißer Zähne", wo sie nicht mithalten kann. "Plötzlich fühlte ich mich kantig und unzumutbar, fast wie ein zu düsteres Fotoschnippselchen, das versehentlich in eine helle, bunte Fotokollage hineingeklebt wurde und so gar nicht passt." Ihr Unterlegenheitsgefühl transformiert sie in überlegene Urteile über Schönheitsterror und Oberflächlichkeit. Weil sie Frauenkleidung nur in den Größen 34-38 findet, sieht sie sich unter einer "Größendiktatur". "Die Gesprächsthemen [sind] so uninteressant." Sie trifft zwar "coole Leute mit seltsamen Namen, szenigen Outfits", aber sie haben so "wenig zu sagen." Und dabei würde sie so gerne reden, beispielsweise über den Golf-Krieg, den einer ihrer amerikanischen Liebhaber nicht schlecht finden mag. "Ich wünschte mich plötzlich sehnlichst nach Deutschland, nach Hause, hatte ein großes Bedürfnis zu reden, über den Krieg, über Amerika, über den Sinn des Lebens, über alles." Schließlich erkennt sie, "dass ich eine europäische Querulantin war." An der politischen Frontlinie, da findet sie sich selbst plötzlich wieder, und wie ihre Landsleute, die in Bagdad ein zweites Dresden sahen, so neigt auch sie zu bezeichnenden Identifizierungen: "Dieser Tage wird zwischen Afghanistan und Irak, Saddam Hussein oder Osama Bin Laden, so scheint es, wenig Unterschied gemacht. So wie man mich schon als 'Blanka aus Russland' oder einfach nur 'Famke from Europe' vorgestellt hat."

So leiden alle unter der Oberflächlichkeit der Amerikaner, so stellt man sich mit anderen 'Opfern' in eine Reihe. Die Assoziationen sind wahrscheinlich nicht zufällig. In einem Friseursalon fragt Potente unwissend etwas Peinliches, und "wie in Zeitlupe drehten sich alle Köpfe zu mir. So als hätte ich 'Heil Hitler!' oder ähnlichen Schwachsinn gebrüllt, brüllten mich etwa zwanzig Kunden kollektiv entgeistert an." Immer bekommt man die Vergangenheit vorgehalten! In der Fremde, da findet man sich selbst. In den USA erfährt man, wer man ist, beispielsweise wenn die Mutter auf Besuch bemängelt, dass dort nicht die typisch deutsche Tugend der Mülltrennung praktiziert wird. Man muss nur "in die Ferne ziehen, damit einem die alten Lieder wieder einfallen", freut sich Potente passenderweise. Ihre deutschstämmige Bekannte Tanja "ist meine deutsche Oase hier." "Wann immer wir uns sahen, redeten wir ohne Punkt und Komma deutsch, zogen unfair über die Amerikaner her und lachten viel." Den Humor ihrer Komödien hat sie nicht verlernt. Welcome home.


Titelbild

Franka Potente / Max Urlacher: Los Angeles - Berlin - Ein Jahr. Mit Fotografien von Franka Potente.
Herder Verlag, Freiburg 2005.
191 Seiten, 19,90 EUR.
ISBN-10: 3451288478

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