Bremsen, Beschleunigen

Das Lyrikdebüt des jungen Wahlhamburgers Benjamin Maack

Von Mario Alexander WeberRSS-Newsfeed neuer Artikel von Mario Alexander Weber

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Flugzeugen vertraut die Großmutter des 1978 in Winsen an der Luhe geborenen Benjamin Maack nicht, wie die Widmung am Anfang seines Lyrikbands verrät. Aber sie vertraut ihrem Enkel. Dessen Debüt "Du bist es nicht, Coca Cola ist es" gliedert sich in zwei Hälften. Unter dem Titel "WAS DU BIST" startet der erste Teil. Die Themen der reimlosen, metrisch freien Gedichte sind die Stadt, die Nacht und der Traum, der Konsum, Turnschuhe und Comics, und als Leitmotiv taucht immer wieder das Kino auf.

"Ich musste erst beim Abspann weinen. / Die Tränen zogen Schlieren / durch den fettigen Chipsstaub / auf meinen Wangen. / Spaß hatte ich nicht."

Im Klappentext heißt es treffend, der Autor zeichne "Bilder eines Alltags, in dem sich das Individuum in der unablässigen Kommerzialisierung aller Träume zerschreddert". Und etwas pathetisch: "Maack erobert durch die leidenschaftliche Poetisierung des Banalen dem Konsumenten sein Menschsein zurück."

Nicht immer funktioniert das so wie im Gedicht "Hallo": "Wollen wir nicht wieder glauben: / ans Herz, etwas darunter die Seele / wie an das Haltbarkeitsdatum auf Mayonnaisegläsern". "How else but through a broken heart / May Lord Christ enter in? ", kann man hier mit Oscar Wilde antworten.

Im selben Gedicht lässt das lyrische Ich eher sinnfrei Motoren "knallrot Kerosin bluten", um sich danach in der Küche ein "Leberwurstbrot" zu schmieren. Schon dieses kleine Beispiel zeigt die Methode Maacks, kräftige, grelle Bilder mit bewusst 'wurstigen' Alltagsdingen zu kontrastieren. Und all dies wird zusätzlich mit bedeutungsschweren Vokabeln garniert: "Herz", "Seele", "Sonne", "Mond", "Schatten", "Nacht", "Sterne", "Tränen". Diese teils krude Mischung tendiert zur Sentimentalität.

Das Grundproblem vor allem des ersten Teils ist es, die strophenweise guten, originellen Ideen nicht in eine Form pressen zu können. 'Das Gedicht verdichtet, sagt man' laut Robert Gernhardt, 'doch was machen, wenn es labert?' Benjamin Maack hängt öfters den einen Satz zu viel an, noch eine Wiederholung, noch ein Bild, das nicht mehr nötig gewesen wäre. Darunter leidet nicht nur das Kernstück des Bandes, das apokalyptisch-dramatische Langgedicht "Der Mond rückt näher", das durch das allzu banale Ende - "Ruhig schaukelt mich der Mond / in einen Schlaf voller schrecklicher Albträume." - viel von seiner soghaften Wirkung verliert.

"WAS ES IST", der zweite Teil des Bands, ist dichter und somit gelungener. "Zu Haus in deinem Videorekorder / wartet ein alter Schwarz-Weiß-Film auf dich", heißt es in "Herbstfarben". Der Rausch der bunten Warenwelt ist verflogen.

Im vielleicht besten Gedicht der Sammlung, "Zimmer mit Ausblick", gelingt ein fulminanter Einstieg: "Drüben / in der Psychiatrie / bekommen die Irren jetzt das Stricken beigebracht." Doch nicht mit dem Stricken, sondern mit dem Steigenlassen von Ballons geht es weiter. Ballons, die den Himmel bedecken. In der nächsten, der Abschlussstrophe, "trägt der Wind / das Klappern von / Nadeln" in das Zimmer des lyrischen Ichs. Hier verbindet Maack verschiedene Sinneseindrücke, das imaginierte Bild vieler Hände beim Stricken, das Geräusch, der Stricknadeln, die Ballons, die der Wind in die Höhe trägt; ein "Zimmer mit Ausblick" nicht nur für die Irren und ihren Beobachter, sondern auch ein Raum für die Assoziationen des Lesers entsteht hier. Doch leider wird einmal mehr die hohe Erwartungshaltung, die der durch Zeilensprung gut gestaltete, lakonisch-irritierende Einstiegssatz aufbaut, nicht ganz eingehalten. Dank des Titels und dem folgenden "Drüben" entsteht Ambivalenz - Wer blickt auf wen? -, die sofort wieder gebrochen wird, denn der direkte Schwenk auf die roten Ballone ist etwas zu eindeutig. So nimmt die letzte Strophe dem gesamten Gedicht wieder die Spannung.

Benjamin Maack hat zu viel in "Du bist es nicht, Coca Cola ist es" hineingepackt. "Immer köstliche Coca-Cola trinken und danach lange wach bleiben", schreibt er in "Bremsen, Beschleunigen". Der Flug hat erst begonnen.


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Benjamin Maack: Du bist es nicht, Coca Cola ist es. Gedichte.
Minimal Trash Art, Hamburg 2004.
80 Seiten, 8,90 EUR.
ISBN-10: 3980878821

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