30 Jahre Frauenhausbewegung in Europa

Eine Tagungsdokumentation zu autonomen Frauenhäusern in Österreich

Von Cathrin SchauerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Cathrin Schauer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"1972 wurde in London das erste Frauenhaus Europas eröffnet. Drei Jahrzehnte später gibt es in der EU rund 1500 Zufluchtsstätten für Frauen, die von Gewalt durch ihre männlichen Partner betroffen sind", ist im Vorwort der Tagungsdokumentation zu lesen. Diese Aussage der beiden Redakteurinnen sollte jedoch sehr differenziert betrachtet werden.

Natürlich ist es dem hohen Engagement der Frauenbewegung zu verdanken, dass inzwischen europaweit zahlreiche Anlaufstellen für Frauen, die von Gewalt bedroht oder betroffen sind, existieren. Dass es aber überhaupt solche Anlaufstellen geben muss, macht eben auch deutlich, dass es in unserem hochtechnisierten, globalisierten Zeitalter noch gravierende Menschenrechtsverletzungen gibt.

Die verschiedenen Referentinnen beschreiben in der Dokumentation deutlich das Ausmaß häuslicher Gewalt gegen Frauen weltweit und in Europa. Die Grundlage dieser Beschreibungen sind zum Teil Auszüge aus wissenschaftlichen Studien. Auch auf die Entstehung der Frauenhausbewegungen in verschiedenen Ländern wird eingegangen.

An Beispielen der Referentinnen aus der Türkei, Kroatien, Schweden und aus Ungarn werden sehr plakativ bestehende Schwierigkeiten, doch auch Erfolge in den politisch unterschiedlich strukturierten Ländern dargelegt.

Doch trotz der sachlich recherchierten und fundierten Zahlen werden auch die emotionalen Aspekte, Fallbeschreibungen sowie soziale und wirtschaftliche Auswirkungen von Gewalt gegen Frauen erwähnt. Besonders wichtig ist, dass die Rolle der Kinder als Zeugen und Opfer häuslicher Gewalt erörtert wird. "Kinder erleben nicht selten die Übergriffe gegen ihre Mütter mit und sind häufig selbst das Ziel von Gewalttätigkeiten", konstatierte dazu Christa Prets, Mitglied im Ausschuss für die Rechte der Frau und Chancengleichheit im Europäischen Parlament. Die MitarbeiterInnen von Frauenhäusern und NGOs wissen nur zu gut, dass Gewalt gegen Frauen und Kindesmisshandlung sowie sexueller Missbrauch von Kindern leider sehr oft eng miteinander zusammenhängen.

"Nur durch intensive Hilfe für die Betroffenen und ihre Kinder können wir verhindern, dass Gewalt von Generation zu Generation "weitergegeben" wird, und dass diese Kinder in Zukunft unsere Klientinnen in Frauenhäusern, Gefängnissen und anderen Einrichtungen sind", meint Rosa Logar, die Geschäftsführerin der Wiener Interventionsstelle gegen die Gewalt in der Familie. Sie benennt ganz klar bestehende Defizite zum Schutz der Frauen und Kinder vor Gewalt, speziell in Österreich. Und Rosa Logar weist auf einen wichtigen Aspekt, nämlich die Arbeit mit den Tätern hin.

Eine gelungene Dokumentation, welche die Arbeit und die Erfolge von 30 Jahren Frauenhausbewegung in Europa darstellt, Interventions- und Hilfsmöglichkeiten aufzeigt und dennoch auch bestehende Defizite unverblümt benennt. Deutlich wird, dass die Arbeit in den Bereichen Gewalt an Frauen und Kindern nur zu Erfolgen führen kann, wenn sie kontinuierlich und langfristig durchgeführt wird. Diese Kontinuität erfordert personelle und materielle Ressourcen. Umso bedauerlicher ist es, dass seitens der politischen EntscheidungträgerInnen immer häufiger finanzielle Mittel eingeschränkt oder gestrichen werden und daher Frauenhäuser geschlossen worden sind und immer noch werden.

Gewalt an Frauen und Kindern ist eine gravierende Menschenrechtsverletzung, die weder gesellschaftlich noch politisch toleriert werden darf. Jeder Einzelne kann etwas dagegen tun: HINSEHEN, WAHRNEHMEN und HANDELN!


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30 Jahre Frauenhausbewegung in Europa.
Herausgegeben vom Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser.
Milena Verlag, Wien 2004.
136 Seiten, 14,90 EUR.
ISBN-10: 3852861217

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