Affenliebe

Cornelia Arnhold treibt sich im Tierpark Friedrichsfelde herum

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Das mit der Tierliebe ist ein heikles Ding, und das mit dem Sex auch. Mixt man beides zusammen, dann kommt dabei eine einigermaßen unappetitliche Mischung heraus, in der dann Mord fast nur noch ein lässliches Vergehen ist. Junge Frau auf der Suche nach der Mutter, die Vater und Kind vor langen Jahren hat sitzen lassen: Kaum gefunden, ist die Mutter schon tot. Zur selben Zeit wird ein Varieté-Affe entführt, dessen russischer Halter mit dem Tier auch seine Schaustellerexistenz zu verlieren droht.

Dass Tochters Mutter Opfer ihrer Sexgier wird, ist ein merkwürdig moralines Motiv. Dass es den meisten von Arnhold in diesem Roman geopferten Männern, die sich teilweise gar sodomitischen Freuden hingegeben haben, nicht anders geht, nicht weniger. Vor allem aber schadet das am Ende doch ein wenig der Übersichtlichkeit. Denn was der einen Tat als Motiv dient, kommt für die andere nicht wirklich in Frage. Also heißt es nachbessern und zubauen. Am Ende steht "Kennedys Affe" da wie jene Zweckbauten, denen man ihre hundertjährige Geschichte, ihr Wachstum, ihre Krisen und ihre Branchenwechsel am Gemäuer ansieht: Unübersichtlich, aber trotzdem nicht ohne Charme.

Aber vielleicht ist das im Leben ja auch so kompliziert: Als sich die junge Roxanne auf die Suche nach der Mutter macht, aus dem tiefsten Süden des Landes ins ferne Ostberlin der Nachwendezeit, da ist eigentlich schon alles klar und die Mutter schon so gut wie tot. Aber wie immer, wenn alles von vorneherein offen vor uns liegt, kommt am Ende alles ganz anders. Dass die Tochter, die sich zum Kennenlernen mal eben auf die Entspannungs- und Wellnesscouch gelegt hat, nämlich die Täterin sein soll, ist nicht recht plausibel. Immerhin rennt sie schnurstracks zum amtlichen Ermittler Arnholds, Malte N. von Cichlinskis, natürlich Privatermittler, natürlich Expolizist, natürlich erfolglos, natürlich solo - und im Büro isses auch nicht aufgeräumt. Warum sollte sie das tun? Und was hat die tot im Flur darniederliegende Anne-Marie mit dem entführten Affen zu tun? Der Besitzer, Oleg Bonin, ist überzeugt, dass sich der Entführer mit einer E-Mail-Liste ermitteln lässt, die er Cichlinski in die Hand drückt. Was aber hat die nun wieder mit den militanten Tierschützern zu tun, die als Karikaturen ihrer selbst vor dem Varieté gegen die geschmacklose Tier-Sex-Show demonstrieren, die Bonin mit seiner Schimpansin Mimi (verkleidet als Marilyn Monroe) vorführt? Na, und dann wird uns natürlich auch noch der Entführer selbst in seiner ganzen Affenliebe vorgeführt, allerdings vorerst ohne Namensnennung. Jedenfalls sind auf diese Weise haufenweise Verdächtige und Motive zur Hand, und die Geschichte kann ihren komplizierten Gang gehen.

Dass es Arnhold trotz der ein wenig überladenen Anlage gelingt, einen geradezu liebenswerten Minikosmos in Tierparknähe zu entwerfen, ist ihr ohne Zweifel hoch anzurechnen, auch wenn sie sich zu wenig Zeit und Raum nimmt, an ihren Figuren herumzufeilen. Entweder man schluckt sie, so knapp umrissen wie sie sind, oder man lässt es bleiben. Für die Imagination bleibt dabei zwar Platz genug, aber Arnhold gibt dem Lebensweltaffen dann am Ende doch arg wenig Zucker: Ian Rankin lesen wir gern wegen seines Schottland-Flairs, Donna Leon wegen ihrer Venedig-Panoramen, Fred Vargas wegen ihrer schnurrigen Franzosen und Jerome Charyn, weil sein New York so wunderbar unwirklich ist. Und Arnholds Berlin?

Vielleicht ist es aber ganz gut, dass sie sich, was das angeht, wenig um ihre Leser kümmert. Denn trotz ihrer Zurückhaltung bleibt ein denkwürdiger Ton zurück, der "Kennedys Affe" zu einer interessanten Lektüre macht. Dass Arnhold zudem gnadenlos gegen alle ihre Figuren ist und ihnen Saures gibt, selbst da, wo sie es nicht verdient haben, zeugt zumindest von Realitätssinn; auch dass sie selbst ihren Lieblingen alles Böse auf der Welt zumutet. So beiläufig wie hier eine Hand zu verlieren, ist nicht gerade angenehm, für keinen der Beteiligten. Das ist allerdings eben auch guter Stoff.

Nur eines sollte sie nicht wieder machen: Es ist schlechte alte Krimitradition, dass sich am Ende irgendwer aus dem aufgetretenen Personal vom Ermittler erzählen lassen muss, wie denn das alles zusammenhängt und wer wen warum und vor allem wie umgebracht hat. Immerhin sind solche Unsitten der Grund, weshalb man Krimis nie vom Ende her liest. Auch wenn auf diese Weise die Undurchsichtigkeit und Rätselhaftigkeit der Ereignisse besonders hervortritt, wie sie für die unbeteiligten Zuschauer eigentlich bis zum Ende besteht, ist ein solches Verfahren letztlich doch das Eingeständnis des Urhebers, dass er der Handlungsführung und ihrer Plausibilität nicht wirklich getraut hat. Am Ende muss dann doch wieder jemand alles wieder an seinen rechten Platz rücken, damit die Welt wieder zu ihrer Ordnung zurückfindet. Einen besseren Beweis für diese alte Krimithese kann es eigentlich kaum geben.


Titelbild

Cornelia Arnhold: Kennedys Affe. Roman.
Rotbuch Verlag, Hamburg 2005.
241 Seiten, 9,90 EUR.
ISBN-10: 3434540563

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