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Holm Friebe und Kathrin Passig suchen "Das nächste große Ding"

Von Jan FischerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Jan Fischer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Man ist schwer versucht, beknackte Nullsätze von sich zu geben. Würde ja reichen. So was wie: Im Tod feiert der Pop seine beste Auferstehung. Oder: Die findigen Trendsymptomatisierer Holm Friebe und Kathrin Passig koppeln sich direkt an die Zukunftswurst an. Aber "Das nächste große Ding" ist irgendwie schwerer.

Es gibt unaufhörlich neue Trends, das ist normal. Verantwortlich dafür ist der Trend zum Trend, das unaufhörliche Auf-der-Höhe-bleiben-Wollen. Es gibt dann auch die Leute, die nach Trends suchen und sie zugänglich machen, damit sie in Hochgeschwindigkeit durch verschiedenste Verwertungsstufen geschleust werden können, von Underground über Mainstream bis Revival. Das machen die Feuilletons ganz gerne, wenn sie sich jung vorkommen wollen. Das Magazin der "Süddeutschen Zeitung" hat dafür die "Das Prinzip ..."-Reihe auf der letzten Seite erfunden. Und mit dem Internet haben wir sowieso ein Medium, das unmittelbar und direkt Trends kommunizieren kann, damit auch alle immer schön auf der Höhe sind. Das ist fein. Aber Kultur wäre nicht Kultur, wenn sie zu jedem Trend nicht auch auch einen Gegentrend produzieren würde, damit selbst die ewig Unangepassten etwas haben, woran sie sich anpassen können.

Also was jetzt? "Das nächste große Ding" bringt ein wenig Ordnung in den Wust. Zum Beispiel zum Thema T-Shirt. Aufstieg und Fall der Mode zeichnen die Autoren Friebe und Passig in einer ihrer Kolumnen nach, von den 50ern bis heute, und kommen zu dem Ergebnis, dass uns mal wieder ein T-Shirt-Revival blüht, erfreulicherweise sind die weißen back-to-basic-T-Shirts im Kommen.

So sind die einzelnen Kolumnen, ursprünglich im Feuilleton der "Berliner Zeitung" erschienen, alle aufgebaut. Ein bestimmter Gegenstand wird kulturhistorisch beleuchtet, sein Revival angekündigt, oder überhaupt ein ganz neues Ding annonciert und das Ganze mit frischen google-Infos aufgemotzt.

Das alles ist spritzig, dabei aber doch kulturwissenschaftlich sehr kompetent aufgezogen und weit davon entfernt, reiner Spaßjournalismus zu sein. Diedrich Diederichsen und Leslie Fiedler jedenfalls dürfen als die freundlichen Poptheoretiker von nebenan auch mal auftreten. "Das nächste große Ding" beleuchtet dabei in zweierlei Hinsicht das nächste große Ding. Natürlich, es geht explizit um Artefakte, die uns allen mal wieder blühen, Trendspotting streng nach der Regel: Zwei sind ein Phänomen, drei ein Trend. Wenn da nicht überall diese leise Selbstironie durchschimmern würde. Ein Augenzwinkern, das den angekündigten Trend allein schon wieder dadurch trendunfähig erscheinen lässt, dass er ein wenig zu groß, ein wenig zu abgefahren ist, um tatsächlich praktikabel zu sein.

Was bitte soll das denn jetzt schon wieder? Und warum muss eigentlich unbedingt geklärt werden, welcher Modesalat demnächst den Rucola ablöst? Solche Fragen sind nach der Lektüre durchaus möglich.

Der kompetent-wissenschaftliche Ton unterstreicht das nur. Eine Parodie ist nur dann lustig, wenn sie ernsthaft genug vorgetragen wird. "Das nächste große Ding" ist also tatsächlich fast schon das nächste große Ding, angekommen in der Seriösität des Zwischendurch-Feuilletons. Der Gegentrend, der das unaufhörliche Trendspotting ein wenig lächerlich macht, indem es ihn aus den dunkelsten Trendecken herausholt und ad absurdum führt. Mit größtem Vergnügen.


Titelbild

Holm Friebe / Kathrin Passig: Das nächste große Ding. Kolumnensammlung.
Verbrecher Verlag, Berlin 2006.
88 Seiten, 8,00 EUR.
ISBN-10: 3935843682

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