In Vorurteilen verstrickt

Aharon Appelfelds Roman "Bis der Tag anbricht"

Von Monika MünchRSS-Newsfeed neuer Artikel von Monika Münch

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Blanka hätte es schön haben können: so begabt, so bewundert, so jüdisch, wie sie war. Doch kaum von der Schule, macht sie Fehler. Heiratet einen Christen, wechselt den Glauben.

Von da an beginnt ihr Kampf ums Überleben - an der Seite eines gewalttätigen Mannes, der von Anfang an als Ungeheuer gezeigt wird. Bald sterben ihre Eltern, und Blanka verliert den wenigen Halt, den sie noch hatte. Nur ihr kleiner Sohn Otto hält sie noch am Leben. Appelfeld schildert Blankas Leid in einer lyrisch-schlichten Sprache, die keinem Detail verhaftet ist.

Angesiedelt ist der 250-Seiten-Roman in Österreich, "zu Beginn des 20. Jahrhunderts", wie es auf dem Buchdeckel heißt. Tatsächlich aber liefert Appelfeld kaum Anhaltspunkte, in welcher Epoche seine Geschichte spielt - so wird sie zur Parabel für eine Zeit, in der Juden verachtet wurden.

Blanka versucht ihrem Schicksal zu entkommen, indem sie als Pflegerin in einem Altenheim anfängt. Doch diese Lösung ist nicht von Dauer, Blanka verliert die Stelle wieder. Trotzdem verlässt sie den Weg, der ihr vorgezeichnet zu sein scheint; sie beginnt zu stehlen, braucht Geld für den Befreiungsschlag.

Der kommt ziemlich plötzlich und wirkt in seiner drastischen Knappheit dann doch nicht glaubhaft. Denn Blankas Entwicklung von der braven Ehefrau zur Verzweiflungstäterin liegt zwar nahe - der Mensch ist ein Produkt der Umstände -, trotzdem ist sie im Roman nur dürftig motiviert.

Schade, dass Aharon Appelfeld außerdem den Unarten erliegt, die er seinen Romanfiguren zum Vorwurf macht: Er versteigt sich in Klischees und Vorurteilen. Seine Juden sind ruhige Menschen, friedliebend, menschenfreundlich. Seine Christen dagegen sind grobschlächtig, gewalttätig, unmenschlich. Ausnahmen gibt es kaum.

Am Beginn des Buchs verzeiht man Appelfeld diese Charakterisierung noch, doch mehr und mehr krankt der Text an diesem Muster und wird vorhersehbar. Dahinter tritt allmählich das Lyrische der Sprache zurück; immer mehr fällt statt dessen auf, wie unnatürlich stark die Probleme in Blankas Leben mit Glaubensfragen zusammenhängen.

Appelfeld hat Schwarz-Weiß-Szenarien geschaffen, denen der doppelte Boden weitgehend fehlt; mehr Subtilität hätte seinem Roman an vielen Stellen gut getan. Dem schlimmsten aller Christen, Blankas Ehemann, hat der Autor den Namen Adolf gegeben, wie könnte es anders sein. Adolf Hammer - der Nachname ist also nicht weniger plakativ. Mit dem Leser, der selbst herausfinden möchte, was der Text bedeuten könnte, hat Appelfeld offensichtlich nicht gerechnet.


Titelbild

Aharon Appelfeld: Bis der Tag anbricht. Roman.
Übersetzt aus dem Hebräischen von Anne Birkenhauer.
Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2006.
255 Seiten, 17,90 EUR.
ISBN-10: 3871345385

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