Große Gefühle und keine Sprache

Shirley Hazzards Buch "Das große Feuer" ist eine Kitschorgie

Von Georg PatzerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Georg Patzer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Große Gefühle, große Kulissen. Da ist es schwer, auch immer die richtigen Wörter zu finden. Die australische Autorin Shirley Hazzard, 1931 in Sydney geboren, hat solche Gefühle und eine solche Kulisse. Ihr Roman "Das große Feuer" spielt nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Japan. Der englische Kriegsheld Alfred Leith, hochdekoriert und sehr müde, kommt 1947 nach Hiroshima, weil er die Schäden untersuchen soll, die die Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki bei ihren Opfern angerichtet hat. Er begegnet einem australischen Geschwisterpaar, dem 20-jährigen todkranken Benedict Driscoll und seiner 17-jährigen Schwester Helen. Langsam entwickelt sich eine Liebe zwischen Leith und Helen und eine Freundschaft zwischen allen dreien.

Hazzard holt weit aus, um ihre Geschichten zu erzählen. Es geht um die Vergangenheit von Leith, der immer unter seinem sehr abweisenden Vater gelitten hat, einem berühmten und sehr erfolgreichen Autor. Es geht um eine gescheiterte Liebe und Leiths Freundschaft mit Peter Exley, der in China die Kriegsverbrechen der Japaner erforschen muss. Es geht um den Weltkrieg und das Leid, das er mit sich bringt. In großen Bögen, mit immer wechselnden Schauplätzen - England, China, Australien, Japan, Italien - breitet Hazzard all diese Geschichten aus und verknüpft sie mit den politischen Ereignissen.

Das hört sich alles recht interessant an. Könnte es auch sein. Aber leider krankt das Buch, das im renommierten Hanser Verlag erschienen ist, daran, dass die Autorin nicht lebendig schreiben kann, sich nicht an eine Ökonomie hält und, wenn sie mal Gefühle beschreibt, meistens pathetisch und kitschig wird. So bleiben ihre Personen, die sie so virtuos durch die ganze Welt hetzt, blass und eindimensional, Gefühle werden nicht beschrieben, sondern mit aller Wucht auf die Leser geschmettert.

Beispiele gefällig? Gleich der zweite Satz ist so gewollt poetisch, dass die Bemühung der Autorin um metaphorische Aufladung noch zu spüren ist: "Jetzt fuhren sie los", so beginnt der Roman: "Unabänderlichkeit durchlief den Zug wie eine Ausdünstung." Der zweite Satz des Romans. An diesem Bild stimmt überhaupt nichts, er ist so an den Haaren herbeigezogen, dass man eigentlich am liebsten gleich wieder zu lesen aufhört. Statt zu schreiben, dass der Zug schneller geworden war, heißt es: "Während der ganzen Zeit hatte Leith' Körper Geschwindigkeit aufgenommen." Im Zug sind auch Japaner, sie reisen "im Gifthauch des Erduldens". Andere Sätze sind von einer grotesk bürokratisch komplizierten Verschachtelung: "Was Leith zu der Zeit am meisten in Anspruch nahm, war seine Arbeit, das Mittel, mit dessen Hilfe er sich ein zukünftiges Leben vorstellen konnte." Lebendige Sprache ist das nicht.

Es ist schon seltsam, dass ausgerechnet bei Hanser ein so grausiger Roman erscheinen kann, bei dem die Metaphern und Bilder meistens ins Lächerliche kippen: "Das grüblerische Kind wie der phantasievolle und weitgereiste Schüler wollte vor allem eins, nämlich wachsen, um auf und davon zu gehen." Wollte er wirklich einfach an Körpergröße zunehmen? Nein, er wollte wohl eher erwachsen werden.

"Oh, die riesigen Entfernungen, unglücklichen Trennungen, schrecklichen Reisen. Die Einsamkeit.", heißt es einmal. Nein, das nicht. Aber: Oh, das schlecht geschriebene Buch. Über 300 Seiten lang.


Titelbild

Shirley Hazzard: Das große Feuer. Roman.
Übersetzt aus dem Englischen von Barbara Rojahn-Deyk.
Carl Hanser Verlag, München 2006.
332 Seiten, 24,90 EUR.
ISBN-10: 3446207155

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