Das war's vom Daten-Paten

Ein Rückblick auf zwei Jahre "Marietta" bei aspekte.online

Von Gerald GieseckeRSS-Newsfeed neuer Artikel von Gerald Giesecke

Zugegeben, ein wenig vollmundig der selbstverliehene Titel, und doch entbehren redaktionelle Hege und Pflege eines heranwachsenden literarischen Sprösslings auf der Speicherplatte - wie natürlich auch seines wagemutigen digitalen Vaters - nicht dem Charakter familiären Zuwachses.

"Novel In Progress", das Experiment, Literatur mit "Peep-Effekt" - dank WWW - entstehen zu lassen, ist auch beim dritten Male erfolgreich dem digitalen Kreißsaal entwachsen. Der Papa, im Netz MP genannt, hat durchgehalten, 24 lange Monate lang, hat Schübe von Schnipseln dem Verpixeln anheim gegeben, hat geduldig, mit niemals übergebührendem Respekt, die Mauern Multimedias genommen, auch wenn sie anfangs denen spanischer Dörfer glichen: "Warum läuft denn dieser SchXXX (Rudi: Schwarz-) Film nun wieder nur bei mir nicht?" - ein nicht untypisches Zitat des Matthias Politycki aus den ersten schweren Monaten. Und auch der letzten, um ehrlich zu sein.

Dass "Mac" und PC", die alten Widersacher in der neuen Welt, mit diesem Fortsetzungsroman nun unbedingt einander näher gekommen seien, läßt sich wahrlich nicht behaupten. Aber hier und da ist tatsächlich gelungen, die ständigen Steine des Absturzes zwischen diesen beiden Hitzköpfen des Computerzeitalters kursorisch zu umgehen.

Die "Helden der Arbeit" berichten dazu mehr. Falls der "Servierer" nicht steht.

Nun wäre es ein schlechter Daten-Pate, käme er nicht spätestens an dieser Stelle von "Das war's" auf RL, auf Rudi Leitermann, zu sprechen. Auf ihn, dem es mit dieser "Novel In Progress" erneut gelang mit konsequenter, den vergleichsweise geringen Möglichkeiten des Mediums zufolge zwangsläufig reduzierter Stringenz, von Kindesbeinen an ein passend Kleidchen für "Marietta" zu entwerfen. Grafik und Multimedia im Netz, das heißt in erster Linie Auseinandersetzung. Auseinandersetzung natürlich mit den zwei hinlänglich bekannten digitalen Raufbolden (ist ein Mac eigentlich "pc, politically correct"?), dazu mit Speicherplatz und Ladezeit, mit konvertiertem Wort und Bild sowie, nicht zuletzt, mit Daten-Raten und Daten-Paten.

Und dann gibt es da natürlich auch noch die kollektiven Kontrahenten des Trios Matthias Politycki, Rudi Leitermann und Gerald Giesecke, Zeit und Geld. "Wer kennt diese nicht?", wird man da einwenden, und doch, wer gegen 01:30 Uhr zum 17. Male versucht, zwischen Hamburg-Eimsbüttel, dem Redaktionsgebäude am Mainzer Lerchenberg sowie dem ebenfalls dort befindlichen Hochhaus ein noch nicht einmal zuckelfreies Minifilmchen ("Marietta moderiert im Roxi") mittels aller beteiligten RAMs zum Laufen zu bringen, wer Matthias Politycki zum 15. Male wegen der zurecht eingeforderten "Gesamtschnipseldatei" vertrösten musste, wer als letzte mentale Zuflucht nach Dreharbeiten sich selbst - als Trio - zu nur bedingt turbulenten Familienfeiern fremder Mitmenschen im Hotel einlädt, der darf von Stress mit Fug und Recht berichten. Damit aber Schluß jetzt, denn dieses "Das war's" sollte besser heißen "Das war's - schade eigentlich".

"Marietta" ist zu einer Freundin geworden, einem bisweilen launischen Biest zwar, aber doch einem "Baby", dem noch ein langes Dasein bevorsteht. Ein befristetes hypertextuelles Dasein bei ZDF aspekte.online, eine lineare Existenz im "Mann von 40 Jahren" und, so ist das mit anregender Literatur - ganz gleich in welchem Medium -, ein Ehrenplatz auf der Kommode des Daten-Paten.

Dank gilt nicht zuletzt der konsumierenden, kritisierenden und leider mit ihrem Genius etwas geizenden Gemeinde am heimischen PC. Wie viel einfacher wäre doch das Leben des noch immer jungen Gregor Schattschneider, um nur ein Beispiel zu nennen, ohne Laura, dieses Gör, das erst im "Parallelforum" das Licht der Welt erklickte und dessen Daten-Patin - eine gewisse Silke Hennemann - den Autor Matthias Politycki vor nicht geringe Aufgaben stellte. Nebenan Mariettas "Gästebuch", genutzt für An-, Un- und Übermut. Es geriet mehr zu einem Sammelsurium meinender Netzsurfer und weniger zu dem kontinuierlichen Forum, als das es eigentlich gedacht war. Dennoch erinnerten die vielfältigen Einträge im Gästebuch den Autor immer wieder an die zahlreichen Schlüssellöcher zu seiner Schreibstube. Jawohl, ein wenig Schauspielerei gehört schon dazu, für einen Schriftsteller im Netz. Apropos "Aufgaben des Autors" und Schauspielerei: Dank gebührt auch der Hamburgerin Maike Schiller, die "Marietta" in der Vorstellung der User eine charmant-mondäne Livehaftigkeit verlieh.

Und Matthias Politycki selbst? Ein Schreiber, der das Netz benutzt, ihm nicht verfällt, der die Höhen und Tiefen der "Literatur im Internet" in Ausnahmefällen auch mal ohne Amusement auslotet. Zumindest meine ich, mich daran zu erinnern. Matthias Politycki, das ist einer, mit dem man wirklich gern durchs virtuelle Dick und Dünn geht.